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Kuess mich, und ich bin verloren

Kuess mich, und ich bin verloren

Titel: Kuess mich, und ich bin verloren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Radley
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davon zu überzeugen, dass dieser neue Brand – dieser harte, unnachgiebige Brand – sie nicht anzog.
    Das kann nicht sein. So dumm konnte sie nicht sein. Sie musste hier raus.
    Bevor sie es sich noch anders überlegte, drängte Clea sich an ihm vorbei, um in die Damentoilette am Ende des Gangs zu flüchten. Schnell verriegelte sie die Tür hinter sich und wandte sich zu dem dunklen Granitwaschbecken. Sie drehte den Wasserhahn auf, um sich das kalte Wasser über die Handgelenke laufen zu lassen. Wenn das doch nur gegen den glühenden Schmerz in ihr wirken würde!
    Ihr Blick fiel auf einen goldenen Schimmer, der durch den Wasserstrahl drang. Nachdenklich drehte sie den Wasserhahn zu. Einen Augenblick später hatte sie den Ehering abgestreift. Den Kopf nach vorne gebeugt stand sie da, die Locken fielen ihr ins Gesicht, während sie den Flechtring aus Rot-, Weiß- und Gelbgold betrachtete, der nun in ihrer rechten Hand ruhte.
    Am Tag ihrer Hochzeit hatte Brand ihr erklärt, das Rot stehe für seine Leidenschaft, das Weiß für sie, seine Braut, und das Gelbgold für die Kinder, die sie bekommen würden – für die Familie also, die Clea sich immer gewünscht hatte.
    Sie legte die linke Hand auf den Bauch. In ihr wuchs ein neues Leben heran, ein Gedanke, der sie nach all der Aufregung ein wenig tröstete. Sie erwartete das Kind, von dem sie beide immer geredet hatten – nur würden sie drei nie eine Familie werden.
    Dennoch bedauerte Clea nichts. Die Entscheidung für das Baby hatte die dunkle Leere in ihr gefüllt, als sie Brand für tot hielt. Damals hatte sie immer wieder an die Worte gedacht, mit denen Brand ihr den Ring erklärt hatte. Die Worte waren zu ihrem Rettungsanker geworden. Sie sah noch einmal den Ring an. Die Kinder, die sie bekommen würden.
    Nur hatte sie Brand jetzt für immer verloren. Vergebens hatte sie darauf gehofft, sie könnten heute noch einmal von vorn beginnen und in Ruhe über das Kind reden. Es war unmöglich. Er hatte sich zu sehr verändert.
    Clea legte den Ehering auf dem kalten Granit des Waschplatzes ab, ehe sie sich ein weißes Handtuch vom Stapel nahm, um sich die Hände abzutrocknen. Das benutzte Handtuch warf sie in den bereitstehenden Wäschebehälter. Kritisch begutachtete sie ihr Spiegelbild. Üppige Locken umrahmten ein Gesicht, aus dem grüne Augen sie anschauten. Nichts an ihr hatte sich verändert. Sie sah noch immer so aus wie gestern, vor einem Monat, vor einem Jahr. Man sah ihr ganz bestimmt nicht an, dass sie in der siebzehnten Woche schwanger war.
    Vielleicht war sie ein wenig dünner geworden, so musste sie sich schließlich eingestehen. Außerdem war der Ausdruck ihrer Augen vor vier Jahren weniger traurig gewesen.
    Brand hingegen hatte sich sehr viel mehr verändert. Er war schon immer etwas verschlossen und rätselhaft gewesen, auch wenn sie deswegen nie an seiner Liebe gezweifelt hatte. Jetzt aber schien er sich auf einem anderen Planeten zu befinden. Dass er sich so verwandelt hatte, daran konnte nicht allein ihre Schwangerschaft schuld sein. Auch wenn er ihr das weismachen wollte.
    Er vertraute ihr nicht mehr. Liebte sie nicht mehr. Er war überzeugt, sie hätte ihn mit Harry betrogen. Wenn sie doch nur …
    Clea rief sich zur Ordnung. Nein, sie würde sich jetzt nicht selbst die Schuld geben. Es ging hier nicht um sie oder ihre Schwangerschaft. Es war Brands Entscheidung gewesen, ohne sie nach Athen zu fahren und von dort weiter nach Bagdad. Noch dazu mit einer Frau, mit der er einst eine Beziehung geführt hatte.
    So verhielt sich kein Mann, dem seine Ehe über alles ging. Sie musste sich endlich fragen, ob mit ihrer Ehe schon vor seinem Verschwinden etwas nicht gestimmt hatte. Sie hatte immer geglaubt, ihre Ehe wäre eine unerschütterliche Festung, errichtet auf gegenseitiger Liebe und Vertrauen. Aber was, wenn es gar nicht so war?
    „Du hast Brand nicht vertrieben“, sagte sie zu ihrem Spiegelbild. „Also komm bloß nicht auf die Idee, dir Vorwürfe zu machen.“
    Selbst wenn sie sich das zehn Mal, hundert Mal am Tag wiederholen müsste, um es zu glauben, so würde sie es eben machen. Brand hatte sie verlassen und ihre Ehe verraten.
    Sie schaute den Ring an, dessen warmer Glanz den Granit zu wärmen schien. Ihr fehlte das beruhigende Gefühl an ihrem Ringfinger.
    Clea richtete sich auf. Solange Brand ihr nicht erzählte, warum er sie und ihr gemeinsames Leben verlassen hatte, würde sie den Ring nicht mehr tragen.

5. KAPITEL
    Als Clea in ihr

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