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Kuess mich, und ich bin verloren

Kuess mich, und ich bin verloren

Titel: Kuess mich, und ich bin verloren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Radley
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Büro zurückging, stellte sie erleichtert fest, dass Brand nicht mehr dort war. Ein paar Minuten später schon vereinbarte sie mit der Bank einen Termin für den nächsten Tag. Aber wie konnte sie Brand den Termin zukommen lassen? Sie sprang auf. Vielleicht konnte sie ihn noch einholen, bevor er das Museum verließ.
    Sie entdeckte ihn im Westflügel, wo er im großzügigen Ausstellungssaal das wertvollste Stück studierte, das das Museum seit Brands Verschwinden neu erworben hatte.
    Die Sommersonne drang durch hohe Bogenfenster in den Raum und umflutete Brand mit ihrem Licht. Er stand mit dem Rücken zu Clea, die Füße schulterbreit auseinander. Es war unmöglich, nicht zu bewundern, wie die Jeans seine schmalen Hüften zur Geltung brachten oder wie das schwarze T-Shirt sich über seinen breiten Schultern spannte. Clea spürte bei seinem Anblick ein Ziehen in der Brust.
    Brands ungeteilte Aufmerksamkeit hingegen galt einer gut sechzig Zentimeter hohen Alabastervase, die in einer eigenen Glasvitrine gezeigt wurde, geschützt durch modernste Sicherheitsvorrichtungen. Sicherlich war er ebenso begeistert wie sie selbst, als sie die Vase das erste Mal gesehen hatte. Noch immer war sie ganz hingerissen von der Vase mit ihren einzigartigen Reliefdarstellungen.
    Allerdings stand Brand seltsam unbewegt vor der Vitrine, nichts an ihm verriet die Faszination und Freude, die sie erwartet hätte.
    Clea war verunsichert. Kannte er nicht den Wert der Vase? „Was hältst du davon?“ Sie trat neben ihn. „Uruk-Zeit. Fast 3.500 Jahre alt. Mit ihr haben wir so etwas wie unsere eigene Vase von Warka. Ist das nicht wundervoll?“
    „Die Vase von Warka besitzt drei Lagen mit Reliefdarstellungen.“
    Clea rollte mit den Augen. „Du weißt, was ich meine.“
    „Im Irakischen Nationalmuseum habe ich einmal eine Vase gesehen, die dieser hier sehr ähnlich ist.“
    „Davon habe ich auch gehört. Die Vase der Inanna“, sagte Clea ehrfürchtig. „Aber anders als unser Schatz ist jene Vase in einem makellosen Zustand, soviel ich weiß. Unser Stück hat ganz schön gelitten und musste erst von Experten restauriert werden. Nicht gerade billig. Aber das war es wert, oder?“
    Ohne den Blick von der Vase zu nehmen, meinte Brand: „Wenn ich mir diese Vase anschaue, muss ich unweigerlich an den Diebstahl der Vase von Warka denken. Sie fiel den Plünderungen in Bagdad zum Opfer.“
    „Ich weiß“, sagte Clea mit ungeduldigem Unterton.
    „Zum Glück hat die Geschichte von der Vase von Warka ein gutes Ende genommen. Ich war zufällig gerade in Bagdad stationiert, als die Vase nach zwei Monaten wieder aufgetaucht ist.“
    „Davon hast du mir nie erzählt.“
    „Sie wurde unter der Aufsicht einiger Soldaten zurückgegeben.“ Brands Stimme klang unaufgeregt, nüchtern. „Nachdem die Vase Tausende von Jahren überdauert hatte, war sie während des Diebstahls in vierzehn Teile zerbrochen. Welch ein Preis für die Raffgier eines Einzelnen.“
    Clea sträubte sich dagegen, Brands Andeutung zu verstehen. „Und warum erinnert dich unsere Vase an den Diebstahl von damals?“
    „Muss ich dir das wirklich erklären?“
    So wollte Clea sich nicht von ihm aus der Reserve locken lassen. In dem schmeichlerischen Tonfall, den sie sich für wichtige Besucher und mögliche Mäzene des Museums zugelegt hatte, erwiderte sie: „Auch wenn diese Vase ebenso wie die Vase von Warka zerbrochen war, wehre ich mich gegen deine Unterstellung. Nein, sie ist nicht zerbrochen, während sie aus dem Irakischen Nationalmuseum gestohlen wurde. Dies ist nicht die Vase der Inanna, welche du dort gesehen hast. Die Herkunft unseres Stücks lässt sich lückenlos belegen. Soweit ich weiß, wurde sie versehentlich beschädigt, als vor einigen Jahren für eine Versicherung ein Gutachten erstellt wurde.“
    „Und sie wurde damals nicht repariert?“
    „Das kam mir auch seltsam vor“, gab Clea zu. „Aber der Sammler ist schon etwas betagt, ihm war das alles zu mühsam. Wir haben sie gleich nach dem Ankauf restaurieren lassen. Wie du sicherlich bemerkt hast, war es nicht die erste Beschädigung. Die Vase muss schon vor Urzeiten einmal zerbrochen sein, denn es finden sich Spuren einer Reparatur aus der Antike. Hast du sie gesehen?“
    Clea zeigte auf die kaum wahrnehmbaren Spuren und schaute kurz zu Brand herüber. Er zeigte keinerlei Reaktion.
    Schließlich wandte er sich von der Alabastervase ab und sah Clea eindringlich an. „Ja, ich habe es gesehen. Und ich halte es

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