Kuess mich, und ich bin verloren
ihn wartete.
Der Tod. Oder das Leben.
Der Butler nickte, während er noch immer den Eingang versperrte. Brand trat auf ihn zu. „Na, dann holen Sie ihn, Curtis“, sagte er kurz angebunden. „Ich will hier nicht den ganzen Tag warten.“
Fünf Minuten später befand Brand sich endlich in seinem eigenen Haus, neben sich Smythe, der lächelte, während ihm Tränen über die faltigen Wangen liefen. Die eigenen Gefühle schnürten Brand die Kehle zu, während er sich im Haus umsah.
Sein Zuhause. Jedoch nicht mehr ganz.
Einige kleine Veränderungen fielen ihm auf. Wo früher im Flur eine große Schiffstruhe gestanden hatte, befand sich nun ein Sideboard aus Walnussholz, was dem Raum eine unerwartete Wirkung verlieh. Die ehemals weißen Wände des Wohnzimmers waren in einer gedeckteren Farbe gestrichen worden, die einen wunderbaren Hintergrund für den Kandinsky bot. Clea und er hatten das Bild gemeinsam ersteigert, nur einen Monat, nachdem sie das Haus gekauft hatten.
Clea hatte sich verändert – ein neuer Mann, ein Baby, ein anderes Leben –, warum hätte dann das Haus unverändert bleiben sollen?
Zwei Stufen auf einmal nehmend eilte er nach oben. Am Ende eines Flurs mit hohen Fenstern an einer Seite trat er ins Schlafzimmer. Die Vorhänge waren neu. Das lichte Grün des Pflanzenmusters nahm der elfenbeinfarbenen Tapete etwas von der Schwere. Brand ließ den Blick weiterwandern, auf der Suche nach Spuren von Cleas täglichem Leben. Auf dem Schminktisch befand sich außer einer Vase mit hohen weißen Blumen und zwei Kristallflakons keinerlei weiblicher Krimskrams.
Ein leichter Jasminduft lag in der Luft.
Die Nachmittagssonne drang gedämpft durch die Blätter der Kastanie, die vor den Fenstern stand, und deren Schatten auf die unberührte Tagesdecke aus weißem Leinen fielen. Das gewaltige Mahagoni-Bett hatten sie gemeinsam ausgesucht, nachdem sie einen ganzen Valentinstag lang übermütig Betten ausprobiert hatten. Das dunkle Holz spendete dem Raum eine gewisse Wärme.
Wie viele Male er Clea auf diesem Bett geliebt hatte! Hier hatten sie sich gemeinsam ihren Träumen hingegeben. Und ihrer Lust.
Der weiche Teppich dämpfte das Geräusch seiner Schritte. Brand stellte sich vor eins der großen Fenster. Die Kastanie sorgte für eine angenehme Kühle, die sich stark von der schattenlosen, sengenden Hitze in der irakischen Wüste unterschied.
Während er hinaussah, erinnerte er sich plötzlich an die aufgeladene Atmosphäre in Cleas Büro, als er ihr mit dem Daumen über die Lippe gestrichen und ihre Zunge ihn heiß berührt hatte … Gott, wie er sich gewünscht hatte, dass der Moment nie verging. Am liebsten hatte er sie fest an sich ziehen wollen, bis ihre beiden Körper zu einem wurden.
Doch dafür war er zu wütend gewesen. Ob es wohl hier im Schlafzimmer anders wäre? Hier, wo sie so unendlich viele glückliche Stunden erlebt hatten. Hier war sein Zuhause.
Und Clea war seine Frau – nicht seine Witwe.
Brand stützte sich auf der breiten Fensterbank ab und lehnte sich nach vorne, um den aus dem Garten aufsteigenden Duft von Jasmin und Gardenien einzuatmen.
Eine Momentaufnahme aus der Vergangenheit tauchte vor seinem inneren Auge auf. Eine jener Erinnerungen, die ihm in den dunkelsten Augenblicken geholfen und seinen Willen gestärkt hatten, nicht aufzugeben. Doch als sie ihm jetzt einfiel, empfand er nur Schmerz.
An einem wunderbaren Sommertag wie diesem hatten sie einst erstmals über das Thema Kinder gesprochen. Es war ein Sommertag gewesen, wie es ihn nur in New York gibt, mit hellblauem Himmel, goldenem Sonnenschein und einem kaum wahrnehmbaren Windhauch. Clea hatte einen Picknickkorb gepackt, und gemeinsam waren sie in den Central Park gegangen.
„Vier Jungen“, erklärte sie ihm, während sie sich zurücklehnte, die Ellbogen aufgestützt auf den frisch gemähten Rasen. Um ihren Mund waren Krümel vom leckeren Apfelkuchen, die er ihr mit den Fingerspitzen herunterpickte.
„Wie bitte?“ Schockiert von ihrer Forderung wandte er den Blick von ihrem Mund zu ihren Augen, um zu sehen, ob sie es ernst meinte. Daran gab es keinen Zweifel. In ihren Augen lag ein verträumter Glanz. Brand lehnte sich gegen den rauen Stamm einer Eiche und fragte: „Wirklich vier Kinder?“
„Warum eigentlich nicht fünf? Alles Jungen. Ich will eine große Familie.“
„Fünf Jungen“, stotterte er. „Du weißt, was das bedeutet.“
Er zumindest wusste es. Brand hatte selbst noch drei Brüder, etwas,
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