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Kuess mich, und ich bin verloren

Kuess mich, und ich bin verloren

Titel: Kuess mich, und ich bin verloren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Radley
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Vorstellung war unerträglich, dass er vielleicht vor ihr geflohen war, so wie einst ihre Mutter vor ihr geflohen war … in die Arme einer anderen Familie.
    War es mit Brand etwa das Gleiche? Oder war seine Verbindung zu Anita einfach die ganze Zeit so stark gewesen, dass sie dagegen nicht hatte ankommen können? Aber wenn das der Fall war, warum war er dann nach Hause gekommen?
    In Cleas Kopf wirbelten viel zu viele Fragen herum. Eins aber wusste sie genau. Sie würde nicht zu Brand ins Bett steigen. Nicht heute Nacht. Nicht bevor sie ein paar Antworten erhalten hatte.
    Vielleicht aber auch nie wieder.
    Die Dusche im Badezimmer lief nicht mehr.
    Brand behielt die Tür im Auge und wartete angespannt darauf, bis sie sich öffnete. Endlich erschien Clea. In ein großes, weißes Handtuch gewickelt glich sie einem Gespenst. Auf ihren bleichen Schultern glitzerten einige Wassertropfen. Schnell schloss er die Augen. Das Geräusch ihrer nackten Füße auf dem Teppich verriet ihm, dass sie sich dem Bett näherte.
    Brand wartete noch, um ihr etwas Zeit zu lassen.
    Neben dem Bett hielt sie einen Moment inne. Dann fragte sie: „Brand? Schläfst du?“
    Er antwortete nicht, sondern konzentrierte sich darauf, ruhig und gleichmäßig weiterzuatmen. Das hatte er in den vergangenen Jahren oft genug üben können. Schließlich hatte er es so perfekt beherrscht, den Schlafenden abzugeben, dass er auch den misstrauischsten Wächter täuschen konnte.
    Clea seufzte. „Du kannst nicht hier schlafen.“
    Brand hatte nicht vor, irgendwo anders zu schlafen. Dies war sein Bett … und sie war seine Frau. Früher oder später würde sie sich schon an den Gedanken gewöhnen, dass er nicht gewillt war, in ein anderes Zimmer zu ziehen.
    „Wach auf!“
    Sie berührte ihn an der Schulter. Ihre Finger waren überraschend zart und noch ein wenig feucht von der Dusche. Doch Brand reagierte nicht.
    „Ich kann dich nicht raustragen, das weißt du.“ Die Matratze bewegte sich, als sie sich auf der Kante niederließ. „Ich sollte wohl Curtis rufen. In der Tat hättest du es verdient, dass jeder im Haus erfährt, wie ich dich aus dem Schlafzimmer geworfen habe.“
    Er öffnete die Augen einen winzigen Spalt weit. Im schwachen Licht der Nachttischlampe sah er ihr gesenktes Haupt und ihre herunterhängenden Schultern. Sie wirkte erschöpft.
    Zu gerne hätte Brand ihr das feuchte Handtuch abgenommen und sie zu sich unter die warme Bettdecke gezogen. Aber zu verraten, dass er noch wach war, hätte nur wieder zu den gleichen aussichtslosen Streitereien geführt. Daher widerstand er seinem Verlangen und betrachtete sie nur weiter durch die Augenschlitze, erwartungsvoll ausharrend.
    Da räusperte Clea sich. „Was willst du hier? Warum bist du zurückgekommen, Brand?“
    Bei Gott, das wusste er selbst nicht so genau. Dabei hatte er sich jahrelang nur mit dem Gedanken über Wasser gehalten, zu seiner Frau zurückzukehren – auch als sich an seiner Lage nichts änderte. Vor einem Jahr endlich war ein Bote mit einer Nachricht ins Lager gekommen, bei der Akam vor Wut geschäumt hatte. Er ließ Brand sogar zusammenschlagen. Seltsamerweise wusste Brand in dem Moment, dass seine Kidnapper nicht mehr lange durchhielten. Akam wurde anschließend immer paranoider und ließ Brand schließlich in den Norden des Lands bringen, von wo er ins Bergland aufbrach. Ausgestattet mit einer schlecht gezeichneten Karte machte Brand sich auf die Suche nach einem Netzwerk kurdischer Schmuggler, von dem Akam ihm erzählt hatte. Nach einem dreitägigen Marsch unter sengender Sonne fand er ihr Dorf. Nach einigen Monaten weiterer Verzögerungen und Schwierigkeiten gelangte er endlich auf der Schmuggelroute über die Berge in die Türkei. Dort besorgte man ihm zwei gefälschte Pässe: einen mit seinem Namen und einen anderen mit einem falschen Namen, unter dem er sich auf die lange Reise zurück nach Amerika begeben konnte.
    Akams türkischer Cousin Ahmet hatte ihn davor gewarnt, unter seinem eigenen Namen zu reisen, denn das hätte eine Behörde auf den Plan rufen können, die nach ihm suchte. Und da er sich in einer schwer zu erklärenden Situation befand, hätte man ihn vielleicht fälschlich verdächtigt und festgehalten. Das wollte er um jeden Preis vermeiden.
    Dennoch – und auch wenn es sich um eine Fälschung handelte – war der Pass auf seinen eigenen Namen wie eine Bestätigung gewesen: Ja, Brand Noble existierte noch. Erwartungsvoll war er …
    Brand schloss die Augen.

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