Küss mich, wenn Du kannst
wartete seinen Collegeabschluss ab, bevor er bekannt gab, er würde sich der Medizin statt dem Bier widmen. Deshalb sah sich seine Familie gezwungen, an Anheuser-Busch zu verkaufen. Verständlicherweise war das eine Sensation.«
»Ja, das kann ich mir vorstellen.« Heath schaute Annabelle über den Tisch hinweg an. »Von all dem hast du nichts erwähnt.«
»Darüber reden die Grangers nicht«, erläuterte Candace in verschwörerischem Flüsterton. »Sie schämen sich, weil sie mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wurden.«
»Dafür schämen wir uns keineswegs«, protestierte Annabelles Vater energisch. »Aber Kate und ich haben stets an den Wert harter Arbeit geglaubt. Wir wollten keine Kinder aufziehen, die nichts Besseres zu tun haben, als das Geld in ihren Trust Fonds zu zählen.«
Da keiner von ihnen das Geld in den Trust Fonds anrühren durfte, bevor sie etwa hundertdreißig Jahre alt waren, hatte Annabelle nie begriffen, warum es so wahnsinnig wichtig genommen wurde.
»Bedauerlicherweise haben wir zu viele junge Leute beobachtet, die auf diese Weise ins Unglück gestürzt sind«, bemerkte Kate.
Candace wusste weitere pikante Einzelheiten zu enthüllen. »Allem Anschein nach wirbelte Chet eine Menge Staub auf, als er Kate heimführte. Die Grangers hielten diese Heirat für eine Mesalliance.«
Keineswegs gekränkt nickte Kate selbstgefällig. »Chets Mutter war ein furchtbarer Snob. Dagegen konnte sie nichts machen, die Ärmste. Sie war nun mal ein Produkt der provinziellen Gesellschaftsstruktur von St. Louis. Aus diesem Grund versuchte ich mit aller Macht - und erfolglos, wie ich hinzufügen muss -, Annabelle den Debütantinnenball auszureden. Meine Familie stammt aus der Arbeiterklasse, und meiner Mutter merkte man das auch deutlich an.«
»Wage es bloß nicht, ein einziges schlechtes Wort über Nana zu sagen!« Annabelle spießte eine grüne Bohne auf.
»Aber ich verstand es genauso gut wie jeder andere, das Buch der Etikette zu lesen«, fügte Kate unbeirrt hinzu. »Und so dauerte es nicht lange, bis ich mich den vornehmen Kreisen der Grangers anpasste.«
Voller Stolz musterte Chet seine Frau. »Am Ende ihres Lebens mochte meine Mutter ihre Schwiegertochter viel lieber als mich.«
Heath hatte Annabelle nicht aus den Augen gelassen. »Also warst du eine Debütantin?«
Mit hochgerecktem Kinn straffte sie die Schultern. »Ich war ganz hingerissen von den Kleidern. Und damals fand ich, dass es eine gute Idee war. Hast du ein Problem damit?«
Heath begann zu lachen. Das tat er so ausgiebig, dass Kate ein Papiertaschentuch aus ihrer Handtasche nahm und ihm reichte, damit er sich die Augen abwischen konnte. Was so verdammt komisch war, wusste Annabelle beim besten Willen nicht.
Unklugerweise erlaubte Candace dem Kellner, ihr Weinglas aufzufüllen. »Und River Bend, das Haus, in dem sie alle aufgewachsen sind...«
Belustigt fiel Heath ihr ins Wort. »Dieses Haus hat einen Namen?«
»Schau nicht mich an!«, protestierte Annabelle. »Das geschah alles vor meiner Geburt.«
»Natürlich war River Bend ein Landsitz. Nicht nur ein Haus«, erklärte Candace. »Uns allen fällt es immer noch schwer zu glauben, dass Chet seine Frau dazu überredet hat, das Anwesen zu verkaufen. Andererseits - die Residenz in Naples ist geradezu märchenhaft.«
Heath musste schon wieder lachen.
»Allmählich entwickelst du dich zum Ärgernis«, konstatierte Annabelle.
Während Candace die Schönheit von River Bend beschrieb, geriet Annabelle in nostalgische Stimmung, obwohl Candace die zugigen Fenster, die qualmenden Kamine und die Mäusepest zu erwähnen vergaß. Letzten Endes hatte sogar Doug genug davon und wechselte das Thema.
Heath mochte alle Grangers, die dünkelhafte Nervensäge Candace ausgenommen. Aber weil sie in Annabelles Schatten leben musste, wollte er sie tolerant behandeln. An diesem Tisch sah er die solide Familie, von der er in seiner Kindheit geträumt hatte. Chet und Kate, liebevolle Eltern, widmeten sich der Aufgabe, ihren Kindern bei der Entwicklung zu erfolgreichen Erwachsenen zu helfen. Und wenn Annabelle von ihren Brüdern auch gnadenlos gehänselt wurde - sie kannten wirklich keine Gnade -, so war sie doch das geliebte Nesthäkchen. Adams und Dougs nicht besonders subtilen Kampf um ihre Aufmerksamkeit zu beobachten, das zählte für Heath zu den Höhepunkten des Abends. Die komplizierte Beziehung zwischen Mutter und Tochter verstand er nicht. Kate mochte eine unverbesserliche Nörglerin sein.
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