Küss mich, Werwolf - Warren, C: Küss mich, Werwolf - Wolf at the Door (Others 01)
gerade genug Lebenskraft gegeben war, um gehen, sprechen und Anweisungen folgen zu können, und Cassidy mochte es überhaupt nicht, wenn irgendwer oder irgendwas nicht für sich selber denken konnte.
Wie sie da nun hilflos hoch über dem Boden hing, konnte sie nichts anderes tun als zu zappeln und nach der Hand zu schnappen, die sie gepackt hielt, doch die ließ sich davon nicht beeindrucken. Ihr fester Griff lockerte sich kein bisschen. Immerhin wand sich Cassidy so weit, dass sie einen Blick auf die Kreatur erhaschen konnte, die sie so fest im Griff hatte, doch was sie dabei erblickte, stellte ihr überstrapaziertes Gehirn bloß vor neue Rätsel.
Ihr Peiniger sah aus wie ein Mann, bloß war er um die drei Meter groß und strahlte die Art ätherischen Magnetismus aus, wie er einst höchstens Feenwesen zu eigen gewesen war. Aber dieser Mann würde nie als Elf durchgehen; da gab es nicht die Spur von einer Ähnlichkeit.
Seine Haut sah aus, als bestünde sie aus den Schatten um ihn herum, ein tintenartiges Blauschwarz, das niemals den elastischen Schimmer von Fleisch hätte annehmen dürfen. Und doch war es geschehen, und diese Haut spannte sich über Muskeln, die so dick waren wie Schiffstaue. Soweit Cassidy es erkennen konnte, schien er völlig unbekleidet zu sein, und der Wärme nach zu schließen, die von der Hand ausging, die sich um ihren Schweif gekrallt hatte, schien er auch keine Kleidung zu benötigen; er erzeugte seine eigene Hitze, die ihn umgab wie eine Aura. Zudem strahlte von ihm eine Art Kraftfeld aus, das sie daran hinderte, sich zurückzuverwandeln.
Und dazu brauchte es schon einen ziemlich bösen Zauber.
Cassidy zappelte noch einmal, und diesmal bekam sie tatsächlich deutlich sein Gesicht zu sehen. Sie hatte ihn sich nicht hässlich vorgestellt; irgendwie hatte sie sich ein Bild von ihm gemacht, und tatsächlich waren seine Züge fest und ebenmäßig und fein geschnitten, doch das böswillige Glühen in seinen Augen beraubte ihn jeglicher Attraktivität. Wo seine Iris hätten sein sollen, brannten kleine Flammen.
»Holla, holla«, brummte er mit einer Stimme, die sich anhörte, als wäre seine Kehle mit winzigen Glassplittern gespickt.
»Ich schätze, diese Jagd hat uns einen Fuchs und einen Hund eingebracht, stimmt’s, Ryan?«
Cassidy sah zu, wie der Techniker aus dem Halbdunkel trat und sich vor der Gestalt, die sie gefangen hielt, verbeugte.
»Jawohl, Meister«, sagte der junge Mann, dessen Stimme mit einem Male gleichzeitig kriecherisch und von allem Lebenssaft verlassen klang.
Sein Namensschild hatte sich verdreht, und Cassidy konnte einen Rosenkranz sehen, der sehr nach denen aussah, von denen Quinn gesagt hatte, dass die Mitglieder der Sekte sie trügen, nur, dass dieser zerbrochen war und mit dem Kreuz kopfüber hing. Wenn die Situation nicht so bedrohlich gewesen wäre, hätte man fast darüber schmunzeln können.
»Ich habe sie zu dir geführt. Womit sonst darf ich dir noch dienen?«
Statt der Ladung von Beschimpfungen, die Cassidy gerne über dem jungen Mann ausgeschüttet hätte, brachte sie leider nur eine wenig beeindruckende Folge von schrillen Jaulern hervor.
»Hilf dem Golem mit dem Wolf. Wir wollen sie beide.«
Cassidy hatte keine Ahnung, wovon die Kreatur redete, aber sie wollte es gerne wissen und hier nicht mehr ewig herumhängen müssen. Sie nahm ihre ganze verbliebene Energie zusammen, schwang sich nach hinten auf ihren Fänger zu und bohrte ihre kleinen, scharfen Zähne in den nächsten Wulst Fleisch, den sie zu fassen bekam.
Sie vernahm ein Geräusch, das irgendwo zwischen einem Brüllen und einem Lachen angesiedelt war, schmeckte so etwas wie Säure auf ihrer Zunge und sah die Mauer auf ihren Kopf zugerast kommen.
Und das war das Letzte, was sie sah, ehe völlige Dunkelheit sie umfing.
27
Als sie wieder zu sich kam, fiel Cassidy als Erstes der bohrende Schmerz in ihrem verlängerten Rücken auf.
Das Zweite, das sie konstatierte, war, dass das, worauf auch immer sie lag, sich rau und kalt an ihrer Wange anfühlte. Sie hatte wieder ihre menschliche Form angenommen, also kein bisschen Fell mehr am Leibe. Jemand hatte sie gezwungen, sich zurückzuverwandeln, während sie schlief.
Das hätte nicht passieren dürfen. So etwas dürfte gar nicht geschehen. Gestaltwandlung war ein physiologischer Vorgang und nicht wie ein Bann, den man lösen konnte, sofern man nur die richtige Beschwörungsformel kannte. Einen Wandler zu einer Wandlung zu zwingen war beinahe
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