Küss mich, Werwolf - Warren, C: Küss mich, Werwolf - Wolf at the Door (Others 01)
Gesichtsblässe und Beißzähnen. Eine Auswahl von Vampiren, Werwölfen, Wechselbälgern und weiteren Anderen besetzte die verbleibenden Stühle; den meisten von ihnen war Quinn bereits vorhin auf der Party vorgestellt worden. Zahlenmäßig waren die Amerikaner im Verhältnis zu der europäischen Delegation mit vierzehn zu fünf reichlich in der Überzahl, aber das tat Quinn als natürliche Gegebenheit ab – schließlich war das hier deren Heimspiel. Er war bloß dankbar, lediglich dem Inneren Zirkel des Rates gegenübersitzen zu müssen, nicht der gesamten Ratsversammlung, die beinahe einhundert Abgeordnete zählte.
Er sah, wie De Santos einen Blick auf seine teure goldene Armbanduhr warf und die Stirn krauste. Ihm blieb kaum genug Zeit, eine Braue in die Höhe zu ziehen, als ein leises, aber unüberhörbares Klopfen jedermanns Aufmerksamkeit auf die Tür lenkte.
In dem spärlich erleuchteten Rundbogen des Eingangs stand, gewandet in burgunderrote Seide und in den Duft eines teuren Parfüms gehüllt, Adele Berry, auf den Silberknauf ihres Gehstocks gestützt.
»Verzeihen Sie mir, Gentlemen«, sagte sie mit einer Stimme, die weitaus schwächer klang als die, mit der sie Quinn vor ein paar Stunden zurechtgewiesen hatte.
»Ich bin nicht mehr so gut zu Fuß wie früher. Ich hoffe, Sie haben nicht allzu lange auf mich warten müssen.«
De Santos schüttelte den Kopf, aber seine Lippen verrieten einen Anflug von Amüsement. Er gab einem der Hausangestellten einen Wink, einen Stuhl für Adele zurechtzurücken.
»Wir fühlen uns wie immer sehr geehrt, dass Sie sich uns anschließen, Mrs. Berry. Bitte nehmen Sie doch Platz, und dann können wir auch gleich beginnen.«
»Vielen Dank, Rafael, aber gestatten Sie mir doch zunächst, dem Rat meine Enkelin vorzustellen.«
Adele trat einen Schritt beiseite, damit die zierliche Gestalt zum Vorschein kam, die sich hinter ihr im Schatten gehalten hatte.
»Ladies und Gentlemen, darf ich Sie mit Cassidy Emilia Berry Poe bekannt machen? Bitte sehen Sie ihr ihre Bekleidung nach; sie hatte oben ein kleines Malheur mit ihrem Cocktail, und ich fürchte, wir waren heute Abend auch nicht auf eine Zusammenkunft des Rates vorbereitet. Ich hatte es so verstanden, dass wir uns morgen treffen wollten.«
Quinn verfolgte alles mit Neugier; er wollte wissen, was für eine Art Frau mit den Genen dieser Grande Dame auf die Welt gekommen war und sich nicht freiwillig in ein Kloster in den Schweizer Bergen zurückgezogen hatte. Die sichtlich peinlich berührte Gestalt, die jetzt vortrat, tat dies mit einem Widerwillen, dem er bloß beipflichten konnte. Das Leben im Haushalt von Lady Berry war ganz bestimmt kein Zuckerschlecken. Aber dann traten ihm fast die Augen aus den Höhlen, als das Mädchen sich bewegte und der Kerzenschein ihr feurig fuchsrotes Haar zum Schimmern brachte.
Seine Honeysuckleblüte – und sie fiel ihm geradezu in den Schoß wie ein Sterntaler. Sein Mund verzog sich zu einem Grinsen, als er auf seinem Stuhl ein Stückchen nach vorne rutschte. Möglicherweise hatte Gott doch noch etwas für ihn übrig.
7
Cassidy verwünschte innerlich den Hang ihrer Großmutter zum Bombastischen und schob sich unauffällig in den Versammlungsraum. Adeles sämtlichen Bemühungen zum Trotz, sie für Politik zu interessieren, war dies tatsächlich das allererste Mal, dass sie den einladenden Ballsaal im Erdgeschoss des Vircolac-Clubs verließ, um sich in die tiefer liegenden Gewölbe des Hauses zu begeben – um dort dem versammelten Hohen Rat vorgestellt zu werden. Aber nun schien es Schluss zu sein mit ihrer zehn Jahre andauernden Glückssträhne, während derer sie genau das bisher immer hatte umgehen können, indem sie ausgerechnet an dem bewussten Abend ihre Vorlesung zu halten hatte … Das Spiel schien aus zu sein – sie saß im Keller des Vircolac-Clubs in der Mausefalle. Und es sah nicht danach aus, als hätte sie hier je viel verpasst.
Obwohl sie lediglich zwei Treppen hinuntergegangen war, kam es ihr vor, als wäre sie glatt um siebenhundert Jahre in die Vergangenheit zurückversetzt worden. Sie rechnete geradezu damit, bei einem Blick zu Boden diesen mit Stroh bestreut vorzufinden – wie in einem mittelalterlichen Burgsaal.
Nervös zupfte sie an dem Sweatshirt, das sie trug. Sowie sie den Raum betreten hatte, waren sämtliche Blicke auf sie gerichtet gewesen. Natürlich hatte sich alles für die Party in Schale geschmissen, und da stand sie, bekleidet wie eine
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