Küss mich, Werwolf - Warren, C: Küss mich, Werwolf - Wolf at the Door (Others 01)
muss ich Ihnen wohl oder über recht geben. Ich weiß nicht , was Sie mit mir bereden wollen.«
»Und genau deswegen sollten wir uns auf der Stelle tref-«
»Mir reicht’s jetzt.«
Sie konnte sich kaum mehr zusammennehmen. Jetzt hatte sie sich lange genug bemüht, höflich zu bleiben.
»Da Sie ja offenbar schwerhörig sind, lassen Sie mich eines klarstellen. Ich stehe Ihnen heute Abend nicht zur Verfügung, und damit basta. Wenn Sie mit mir über wichtige Dinge reden wollen, kleine Dinge, große Dinge oder irgendeinen Affenkram, dann können Sie mich meinetwegen morgen Vormittag gerne wieder anrufen.«
Damit beendete sie mit einem Knopfdruck das Gespräch und knallte das Telefon zurück auf seine Basisstation. Sie konnte sich nicht erinnern, seit Collegezeiten ein dermaßen unerquickliches Telefonat geführt zu haben. Und bei dem, an das sie jetzt gerade dachte, war Alkohol im Spiel gewesen. Aber diesmal war sie stocknüchtern.
Kopfschüttelnd beschloss Cassidy, nicht mehr länger darüber nachzudenken und nahm einen Zwölferpack Freilandeier aus dem Kühlschrank. Sie hatte Besseres zu tun, als über irgendwelche politischen Spinner nachzudenken, die sie mitten in der Nacht anriefen, um ihr zu erzählen, dass die Welt aus den Angeln geriete, wenn sie nicht sofort auf ihre Wehwehchen einging. Die einzigen Fantasien, mit denen sie sich in absehbarer Zukunft beschäftigen wollte, waren der Grund, aus dem sie halbnackt und in den frühen Morgenstunden in ihrer Küche stand und drauf und dran war, sich eine massive Dosis Proteine zuzuführen.
Schließlich musste eine Frau ja bei Kräften bleiben.
Quinn fühlte sich, als hätte jemand die Innenseiten seiner Augenlider mit Schleifpapier bearbeitet und ihm obendrein mit einem Bleirohr noch einen kräftigen Schlag auf den Kopf versetzt. Auf jeden Fall war seine Laune auf dem Tiefpunkt. Es ging nun auf vier Uhr morgens zu, und er konnte sich mindestens einhundert andere Orte vorstellen, an denen er sich lieber aufhalten würde – die meisten davon hatten mit einer gewissen Rothaarigen in einer horizontalen Lage zu tun – was ihm zusätzlich das Gefühl gab, in seiner Handlungsfreiheit extrem eingeschränkt zu sein, weil er nun in der Bibliothek des Vircolac-Clubs auf und ab laufen musste, anstatt richtig zuzuschlagen.
Oh ja – Gewalt konnte eine ganz schöne Verlockung darstellen.
Die Fäuste in den Taschen geballt, blieb er vor einer Wand stehen, drehte sich auf dem Absatz um und marschierte zurück in die entgegengesetzte Richtung. Richard hatte die Gelegenheit ergriffen, sich zu einem Nickerchen auf einer Chaiselongue auszustrecken, und De Santos ignorierte Quinn mit Erfolg, indem er sich in den Dokumenten vergrub, die sie aus dem Computer der Sekte heruntergeladen hatten. Binnen fünf Minuten nach ihrem Eintreffen im Club hatte De Santos den Inhalt des USB-Sticks ausgedruckt und es sich mit einer Tasse Kaffee und Textmarkern in fünf verschiedenen Farben an dem massiven, gut aufgeräumten Schreibtisch bequem gemacht, wo er nun seit vierzig Minuten saß und schweigend Textstellen markierte. Quinn gab sich selber noch zehn Minuten, bevor ihn ein Nervenzusammenbruch ereilen würde.
Doch eineinhalb Minuten später revidierte er diese Einschätzung bereits.
»Um alles, was gut und recht ist auf dieser Welt, De Santos! Ein gichtiger Neunundsiebzigjähriger würde nicht so lange brauchen, um die paar Seiten durchzulesen! Übersetzt du sie gleich ins Sanskrit, oder hast du auch irgendwann vor, uns zu erzählen, was du davon hältst?«
Mit mehr als nur leicht irritierter Miene blickte De Santos von den Papieren auf.
»Hat dir mal jemand gesagt, dass du ein ganz schöner Quälgeist sein kannst, mein Wolfsfreund?«
»Das bekommt er einmal täglich zu hören«, rief Richard vom Sofa.
Quinn konnte sich nicht entscheiden, wen von den beiden er zuerst erwürgen wollte, also warf er ihnen nur einen vernichtenden Blick zu und brütete weiter, während der Vorsitzende des Hohen Rates damit fortfuhr, in den Unterlagen zu wühlen – um endlich sechs Blätter auszusortieren und sie nebeneinander vor sich auf den Tisch zu legen.
»Das hier ist kein Kinderspiel, Quinn. Man muss schon darauf achten, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen.«
»Sofern es überhaupt irgendeinen Schluss gibt, der aus dem Zeug gezogen werden kann.«
»Dann sag du mir doch mal, was du davon hältst.«
De Santos tippte mit dem Finger auf den ersten der Ausdrucke, die er vor sich hingelegt
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