Küss mich wie damals
verdienen.“
Der Mann musterte Frances von Kopf bis Fuß. „So, wie Sie aussehen, müssen Sie gut leben, Madam, und dafür nutzen Sie arme Leute wie uns aus.“
Sie hatte die Voraussicht besessen, einen Geldbeutel mitzunehmen, den sie jetzt öffnete und ihm eine Guinea entnahm. „Hier, Sir. Sie gehört Ihnen, wenn Sie so freundlich sind, mich weitermalen zu lassen.“
Er schnappte sich das Geldstück und brüllte seiner Frau und der Tochter zu, sie sollten herkommen und sich das Bild ansehen. Beide gesellten sich zu ihnen, und der Gestank von Schweiß, der von ihnen ausging, war so überwältigend, dass Frances sich versucht fühlte, ihnen zu sagen, sie sollten sich mit dem Geld ein Stück Seife kaufen. Einige Augenblicke später hatte sie eine noch größere Zuschauerzahl angelockt und wurde sich bewusst, dass der Mann, mit dem sie geredet hatte, sich mit einem anderen stritt.
Der zweite Händler, der eine speckige Lederweste und Hosen trug, die vor Dreck starrten, bahnte sich einen Weg zu ihr. „Wieso haben Sie dem Mann Geld gegeben?“
„Ich wollte ihn nur entschädigen, weil ich ihn gezeichnet habe und ihm dadurch vielleicht ein Geschäft verloren gegangen ist.“
„Geschäft! Er darf hier keine Geschäfte machen. Er hat keine Handelserlaubnis. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie der Wache von ihm erzählten. Dann landet er hinter Gittern.“
„Und meine Familie verhungert!“, brüllte der erste Mann. „Ich habe niemandem Schaden zugefügt.“
„Sie nehmen meinen Kindern das Brot weg. Ja, das tun Sie. Hühner für sechs Pence das Stück und zehn Kohlköpfe für zwei Pence sind kein lauteres Angebot!“
Frances hatte den Eindruck, dass sie nicht mehr Herr der Lage war, und stand auf, um den Markt zu verlassen. Aber so leicht ließ man sie nicht davonkommen. Die Menschen umringten sie und verlangten, sie solle auch sie zeichnen und jedem dann eine Guinea geben. Sie öffnete die Börse. die ihr plötzlich aus der Hand gerissen wurde. Der Inhalt fiel auf das schmutzige Kopfsteinpflaster. Die Leute machten sich über die Münzen her und stießen Frances zur Seite, um an das Geld zu kommen.
Im nächsten Moment erblickte sie den Duke of Loscoe, der sich durch die Menschenmenge zwängte, als hätte er Puppen um sich und nicht kräftige, unberechenbare Männer und Weiber. Man wich vor ihm zurück, und durch die Gasse, die sich auftat, näherte er sich Frances. „Sind Sie verletzt, Madam?“
Sie war unendlich erleichtert, ihn zu sehen, auch wenn sein Blick ungehalten wirkte. Aber er schaute wohl nur deshalb so finster drein, weil er die sie umringenden Leute einschüchtern wollte. „Nein, Euer Gnaden.“
Er ergriff sie am Arm und drängte sich durch die Menschen, die sie jetzt eindeutig feindselig anstarrten. Er warf ihnen eine Handvoll Münzen zu und schaffte es in dem allgemeinen Durcheinander, Frances von den Leuten fortzubringen. „Was in aller Welt haben Sie sich dabei gedacht?“, fragte er ärgerlich.
Sie sah seinen Phaeton an der Straßenecke stehen und vermutete, er habe sie vom Sitz aus bemerkt und begriffen, in welch misslicher Lage sie war. Sie hätte ihm dankbar dafür sein sollen, dass er sie gerettet hatte, doch sein gereizter Ton löste auch bei ihr Verärgerung aus. „Ich habe die Leute gezeichnet.“
„Sind Sie noch ganz bei Trost? Sie hätten von ihnen zu Tode getrampelt werden können.“
„Ich war nicht in Gefahr. So etwas habe ich schon früher getan. In Zukunft werde ich bei den Leuten nicht so geduldet sein, weil Sie sich eingemischt haben.“
„In Zukunft werden Sie solche Ausflüge unterlassen!“, erwiderte Marcus schneidend.
Jäh blieb Frances stehen, wandte sich ihm zu und schaute ihn empört an. „Ich bin nicht Ihre Gattin, auch nicht Ihre Tochter oder eine Ihrer Bediensteten, Euer Gnaden. Sie haben mir nichts zu befehlen!“
„Nein, doch solange Sie Lavinia unterrichten, werden Sie Anweisungen von mir entgegennehmen, wie Sie sich zu verhalten haben.“
„Wie ich mich zu verhalten habe!“ Frances war außer sich. „Ich gehe davon aus, dass Sie Ihr Benehmen für tadellos halten und glauben, das Recht zu haben, mir Vorschriften zumachen. Aber ich bin eine unabhängige Frau und muss mir von niemandem etwas befehlen lassen, erst recht nicht von Ihnen. Achten Sie auf Ihre Manieren!“
Man war beim Phaeton angekommen. Marcus ließ sich nicht anmerken, ob der Hieb gesessen hatte. Er wollte Ihrer Ladyschaft beim Einsteigen behilflich sein, doch sie entzog
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