Küss mich wie damals
besten Freunde. Da sie die Klatschmäuler kannte, wunderte sie sich darüber, dass man nie ein Wort über ihre Freundschaft mit Sir Percival verloren hatte. Aber diese Beziehung war natürlich nicht skandalös genug, um darüber zu tuscheln. Zwei erwachsene Menschen, die die Freiheit hatten, eine Ehe einzugehen, falls sie das wollten, das indes nicht taten, boten wenig Gesprächsstoff für die Gerüchteküche, vor allem, wenn es aufregendere Anlässe gab, über die man sich den Mund zerreißen konnte.
Andererseits waren die Liebschaften des Duke of Loscoe für die Klatschmäuler ein gefundenes Fressen. Er war ein geheimnisvoller, hoch stehender, arroganter Witwer, der sich den von ihnen in die Welt gesetzten Gerüchten zufolge auf Brautschau befand. Frances fragte sich, für wen er sich entscheiden würde, warum es ihr unmöglich war, nicht mehr an ihn zu denken, wieso jeder noch so beiläufige Gedanke, jede noch so unbedeutende Geste ihn ihr wieder ins Gedächtnis rief, ganz als sei er stets gegenwärtig. Sie hatte doch gefunden, er sei ein hoffnungsloser Fall, und dass sie, wenn er es nur darauf anlegte, unangenehm zu sein, besser ohne ihn auskam. Verwundert überlegte sie, warum sie sich das nicht einreden konnte.
„Endlich!“, äußerte Percival, nachdem man den Treppenabsatz erreicht hatte, auf dem Lord und Lady Willoughby standen und die Gäste empfingen.
Lady Willoughby trug eine flaschengrüne Satintunika, einen dazu passenden Turban und gebauschte Hosen und wollte wohl in diesem Kostüm für eine Inderin gehalten werden. Ihr Gatte hatte auf eine Verkleidung verzichtet und war in formeller Abendgarderobe. Ihre Tochter Felicity trug ein schlichtes weißes Kleid mit Überwurf, der mit einer Fülle von Blattwerk besetzt war. Offensichtlich stellte sie eine Waldnymphe dar. Das wäre eine gute Wahl gewesen, wenn es sich um den anlässlich ihres gesellschaftlichen Debüts veranstalteten Ball gehandelt hätte, nur leider war sie weit davon entfernt, wie eine Nymphe zu sein.
Neben ihr stand ein vielleicht siebzehnjähriger hoch gewachsener Jüngling, der offenbar zum ersten Mal Abendgarderobe trug und sich in den Sachen eindeutig nicht wohl fühlte. Frances nahm an, bei ihm handele es sich um Benedict. Wenn sie den Worten des Stiefsohns glauben konnte, dann war der Junge bei der in die Spielhölle führenden Eskapade der Anführer gewesen, und der zwei Jahre jüngere Marquis of Risley hatte nur willig mitgemacht. Sie konnte sich nicht erklären, warum Marcus unfähig gewesen war, das zu begreifen.
Seit der unangenehmen Auseinandersetzung hatte sie weder ihn noch seine Tochter gesehen und fragte sich, ob er an diesem Abend kommen und ob das dann für sie von Bedeutung sein würde. Das Porträt war inzwischen fertig. Sie hatte es in seine Residenz geschickt und sich eingeredet, froh darüber zu sein, es nicht mehr vor Augen haben zu müssen. Bei aller Bescheidenheit konnte sie behaupten, dass es ein gutes Werk war. Sie hatte es geschafft, die Stimmung des Modells einzufangen, die gleichzeitig nachdenklich und trotzig war. Um den Mund lag ein entschlossener Zug, doch die Augen hatten ein verlorenen, verträumten Ausdruck. Es hatte gut funktioniert, Lady Lavinia zu bitten, an etwas Erfreuliches zu denken.
„Wie bezaubernd Sie aussehen, Lady Frances!“, rief Lady Willoughby aus, während das vorhergehende Paar sich zum Ballsaal hin entfernte und Frances sich der Gastgeberin gegenübersah. „Ich bin froh, dass Sie keine Maske tragen. Man hätte Sie sonst für eines meiner Hausmädchen halten können.“ Lady Willoughby lachte auf.
„Das Verhalten der Countess of Corringham würde jeden, der auf diesen Einfall käme, bald eines Besseren belehren“, sagte Percival wichtigtuerisch. „Servilität gehört nicht zu ihren Eigenschaften.“
„Guten Abend, Sir Percival“, erwiderte Lady Willoughby, den Hieb ignorierend.
Der Baronet zog den Hut und machte einen Kratzfuß. „Ihr untertänigster Diener, Madam.“ Beim Weitergehen sagte er, Lord Willoughby und dessen Kindern zunickend: „Guten Abend.“
Die Begrüßung wurde erwidert, und dann begab man sich zum Ballsaal, aus dem ein kakophonischer Lärm drang. Noch hatte man nicht zu tanzen begonnen, und die Musiker stimmten die Instrumente, während die Leute mit erhobenen Stimmen redeten, um sich gegenseitig durch den Lärm verständlich zu machen. Man rief sich etwas zu, machte Scherze und Bemerkungen über die Kostüme. Dieser Abend würde, ohne dass Lady
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