Küss mich wie damals
Lösung, denn Lady Lavinia sollte nicht ohne Anstandsdame mit dir zusammen sein.“
„Nein, das sollte sie nicht. Seine Gnaden wird mir das Fell über die Ohren ziehen, wenn er davon erfährt.“
„Das müssen wir riskieren. Wir können niemanden ins Vertrauen ziehen. Warte, bis er und ich fort sind, ehe du mit Lady Lavinia das Haus verlässt.“ Frances drückte dem Mädchen einen Kuss auf die Wange. „Machen Sie sich keine Sorgen. Alles wird gut. Jetzt muss ich fort.“
Sie hielt sich vor, verrückt zu sein, während sie aus dem Damensalon huschte, in die Eingangshalle ging und sich dort von einem Lakai ihren Mantel reichen ließ. Seine Gnaden wartete bereits auf sie. Sie hatte ihn nicht nur Duncans wegen geneckt, sondern ihr Vergehen auch noch dadurch vergrößert, dass sie das ungebührliche Verhalten seiner Tochter deckte. Falls er das je erfuhr, würde sein Zorn keine Grenzen kennen. Und um allem die Krone aufzusetzen, war sie jetzt auch noch genötigt, auf der bestimmt in sehr gespannter Atmosphäre verlaufenden Heimfahrt seine Gesellschaft zu ertragen.
Der Duke hatte sich umgedreht, als er sie kommen hörte, und war einen Augenblick lang erschüttert über das von ihr gewählte schlichte Kostüm. Es war weit davon entfernt, sie wie eine Dienstmagd aussehen zu lassen. Im Gegenteil, es unterstrich ihre würdevolle Ausstrahlung. Sie brauchte keine aufwendige Kleidung, um ihre Schönheit zur Geltung zu bringen, die sich in ihrem Gesicht ausdrückte, in den sanften Rundungen ihres Körpers und dem Glanz ihrer Augen. Da Marcus keinen Hut trug, konnte er keinen vor ihr ziehen. Daher verneigte er sich nur leicht und sagte grinsend: „Zu Ihren Diensten, meine hübsche Kleine.“
Ungeachtet des Unbehagens, das sie empfand, lächelte sie. In seinem Bauernkostüm sah er nicht sehr überzeugend aus. Sie erinnerte sich jedoch daran, dass Lady Lavinia ihr erzählt hatte, es gefiele ihm, sich wie ein Arbeiter angezogen in die Öffentlichkeit zu begeben. Falls er mit dieser Kostümierung jemanden täuschen wollte, war es zweifelhaft, ob ihm das gelingen würde. „Sie schmeicheln mir, Euer Gnaden!“, sagte sie und knickste wie eine Dienstmagd.
„Man hat mir gesagt, Sie fühlten sich nicht wohl und wollten heim“, erwiderte er ernst.
„Ich habe nur leichte Kopfschmerzen. Im Ballsaal ist es sehr laut, und ich habe genug vom Trubel.“
„Meine Karosse steht vor der Tür. Ich habe den Kutscher nicht fortgeschickt. Würden Sie mir die unschätzbare Ehre geben, mir zu erlauben, Sie nach Hause zu begleiten?“
Wie förmlich er plötzlich war! Außerdem strahlte er eine Gespanntheit aus, die Frances fast erschreckte. Sie konnte sich jedoch nicht vor ihm ängstigen. Dafür kannte sie ihn zu gut und liebte ihn zu sehr. Ja, sie konnte wütend auf ihn sein. Ja, sie konnte von ihm enttäuscht sein. Aber sie würde sich nie vor ihm fürchten, es sei denn vielleicht Lady Lavinias wegen. „Vielen Dank.“
Frances wagte kaum, einen Blick zurückzuwerfen, als der Türsteher ihr die Tür aufmachte und Seine Gnaden sie ins Freie geleitete. Sie hoffte indes, James möge sie beobachten und genügend Zeit verstreichen lassen, bis er mit Lady Lavinia das Haus verließ. Die Droschke stand ein Stück vom Portal entfernt. Der auf dem Kutschbock sitzende, geduldig wartende Mann trug trotz des warmen Abends einen dicken Mantel mit mehreren Kragen. Sie gab vor, ihn nicht bemerkt zu haben.
Marcus half ihr beim Einsteigen und nahm, nachdem sie sich gesetzt hatte, neben ihr Platz. Dann befahl er seinem Kutscher, sie zur Residenz Ihrer Ladyschaft zu fahren. „Aber nicht so hastig mit den jungen Pferden!“, fügte er hinzu. „Ihre Ladyschaft hat Kopfschmerzen und sollte nicht durchgerüttelt werden.“
Wenngleich die Zeit, die sie in seiner Nähe sein musste, eine süße Qual sein würde, wusste sie, dass James, je länger sie mit Marcus unterwegs war, desto mehr Zeit hatte, um Lady Lavinia heimzubringen. Daher lächelte sie matt, lehnte sich an das Rückenpolster und gab sich den Anschein, an schrecklichen Kopfschmerzen zu leiden.
„Meine arme Fanny“, sagte Marcus und schaute sie an. Im dämmrigen Wageninnern war sie schlecht zu erkennen. Nicht einmal ihre Augen waren zu sehen, da sie die Lider geschlossen hatte. „Falls ich in irgendeiner Weise zu deinem Unwohlsein beigetragen habe, tut mir das wirklich leid. Ich will dir um nichts in der Welt wehtun und ertrage es auch nicht, dass jemand anderes dich verletzt.“
Sie machte
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