Küss mich wie damals
und sie zu fragen, ob sie irgendetwas brauche. Damals war meine Gattin sehr krank, und ich hielt mich oft bei ihr auf. Ich konnte kaum an etwas anderes als ihren schlechten Gesundheitszustand denken, denn sonst hätte ich mich wahrscheinlich darüber gewundert, warum John so oft zu Mrs. Poole ging. Er war ein netter Bursche, und ich glaube, er wollte sie nur trösten. Doch die Folge davon war dann das Kind.“
„Ich verstehe. Aber wie kommt es, dass es verschwunden ist?“
„Ich habe Mrs. Poole nicht vertrieben, falls du das annimmst. Im Gegenteil, ich habe sogar erwogen, darauf zu bestehen, dass mein Bruder sie heiratet. Mir war jedoch klar, dass John noch nicht fähig war, Verantwortung zu tragen, selbst wenn Mrs. Poole in den Vorschlag eingewilligt hätte, was sie, wie ich wusste, nie tun würde. John und sie trennten in jeder Hinsicht Welten. Es war gut, dass ich nicht auf dieser Ehe bestand, denn dann wäre Mrs. Poole zur Bigamistin geworden. Ich habe John auf eine Bildungsreise geschickt, von der er noch nicht zurück ist, und Mrs. Poole für die Jahre, die ihr Mann bei mir im Dienst stand, eine Pension ausgesetzt. Für sie und das Kind schien gut vorgesorgt zu sein. Am Ende des Krieges hieß es jedoch, ihr Mann sei noch am Leben und auf dem Heimweg. Er war offenbar Kriegsgefangener gewesen. Mrs. Poole war nicht imstande, ihm unter die Augen zu treten, und ist mit ihrem Kind verschwunden.“
Die Kutsche hielt vor Frances’ Haus. Weder Frances noch Marcus machten Anstalten, sie zu verlassen. Sie gab sich weiterhin den Anschein gespannter Aufmerksamkeit, jubelte im Stillen jedoch vor Freude, nicht nur darüber, dass Marcus nicht der Wüstling war, der er angeblich sein sollte, sondern auch ein fürsorglicher Mensch, der sich um seine Bediensteten sorgte und Wert darauf legte, dass sie die Wahrheit kannte. „Bist du um Mrs. Pooles Wohlergehen und das ihres Kindes besorgt?“
„Ja. Mr. Poole traf zu Hause ein und erwartete, seine Frau vorzufinden. Stattdessen erfuhr er jedoch von der Existenz des Kindes und schwor, sich zu rächen, nicht nur an seiner Frau, sondern auch an dem Mann, der ihren guten Ruf ruiniert hatte. Ich versuchte, ihm Vernunft zu predigen. Er wollte den Namen des Kindesvaters wissen, den ich ihm jedoch nicht nannte. Dann verließ er die Gegend, und ich nahm an, er habe vor, seine Frau zu suchen und sie zu bestrafen, sobald er sie aufgespürt hatte.“
„Du willst sie vor ihm finden?“
„Ja.“
„Oh, Marcus. Es tut mir so schrecklich leid. Hast du eine Ahnung, wo sie sein kann?“
„Nein, aber Vinny hat das Kind gezeichnet. Dessen bin ich sicher, wenngleich seither niemand es noch einmal gesehen hat.“
„Hast du sie ins Vertrauen gezogen?“
„Nein.“
„Meinst du nicht, dass du das tun solltest? Ich vermute, sie hat einen Teil des Klatsches gehört und glaubt ihn. Sie sollte die Wahrheit kennen.“
„Ich werde sie ihr morgen erzählen. Aber das war noch nicht alles. Ich glaube, Mr. Poole hat das Kind gesehen und wie jedermann angenommen, dass ich der Vater des Jungen bin. Um mich habe ich keine Angst, aber ich fürchte für Mrs. Poole und den Knaben.“
„Oje! Kein Wunder, dass du so abgelenkt warst.“
„Das ist nicht die einzige Sache, derentwegen ich abgelenkt war.“
„Kommt noch mehr?“
„Sehr viel mehr. Und es betrifft dich.“ Marcus lächelte verlegen. „In einem Punkt hatten die Klatschmäuler in gewisser Weise recht. Ich habe dich gebeten, Lavinia zu unterrichten, damit ich dich öfter sehen konnte.“
„Um mit mir zu streiten, mich hochnäsig zu behandeln und mir meine Fehler vorzuhalten.“
„Nein. Falls ich das getan habe, bedauere ich das.“ Marcus hielt inne und beschloss, ins kalte Wasser zu springen. „Nein, ich wollte dich sehen, weil ich dich liebe. In all den Jahren, die wir getrennt waren, habe ich nie aufgehört, dich zu lieben. Ich wollte dich wieder sehen und mit dir reden, wenngleich ich nicht zu hoffen wagte, dass du dir noch zärtliche Gefühle für mich bewahrt hast, denn schließlich hatte ich dich schäbig behandelt, wofür ich dich um Vergebung bitte. In gewisser Weise wollte ich mir beweisen, dass meine dich betreffenden Träume Luftschlösser waren, sodass ich, wenn wir uns wieder trafen, begreifen würde, wie dumm sie seien. Stattdessen habe ich jedoch festgestellt, dass ich dir aufs Neue verfallen bin.“
„Ich habe es nicht darauf angelegt.“
„Nein. Ich bin dir von mir aus verfallen. Zunächst habe ich mich
Weitere Kostenlose Bücher