Küss mich wie damals
unbekannten Mann auf dem Markt von Covent Garden sprechen gesehen. Unverzüglich ging Frances nach draußen, beauftragte den Kutscher, sofort den Duke of Loscoe zu holen, und kehrte in das Gebäude zurück. Sie ließ Jack zu sich bringen und begriff sofort, dass man ihn aufgrund seines spitzen Haaransatzes und der eigenartigen Form der Augenbrauen für Marcus’ Sohn halten konnte. Leider war der Junge sehr verstört, sodass sie nichts Neues von ihm erfuhr. Da sie ihn im Waisenhaus gut aufgehoben wusste, bat sie Mrs. Thomas, dem gewiss bald eintreffenden Mr. Stanmore auszurichten, sie sei nach Covent Garden gegangen. Sie verabschiedete sich und begab sich zum Markt.
Dort traf sie den Händler wieder, den sie mit einer Guinea entlohnt hatte. Sie horchte ihn nach Lady Lavinia aus und hörte, die fragliche Dame sei mit einem Burschen gesehen worden, der als Aufwiegler bekannt war. Gegen ein gutes Entgelt verriet er Frances, dass dieser Mann sich oft in einer bestimmten Schenke aufhielt.
Sie zögerte keinen Augenblick, eilte zur „Diebischen Elster“ und betrat den schäbigen Schankraum, in dem sich nur ein Hausknecht aufhielt, der sie fragte, ob sie zu dem anderen Mädchen wolle. Sie nickte eifrig und wurde von ihm in der ersten Etage zu einer Kammer geführt, in der sie Lady Lavinia vorfand.
Sie kam jedoch kaum dazu, sich ihrer Erleichterung bewusst zu werden, da der Mann, der sie hergebracht hatte, sie in den Raum stieß, hämisch lachte und sagte: „Jetzt habe ich zwei Geiseln, für die der Duke of Loscoe bestimmt ein gutes Lösegeld zahlen wird.“ Dann verschwand er im Korridor und versperrte die Tür.
Lavinia brach in Tränen aus, und Frances hatte Mühe, sie zu beruhigen. „Ihr Vater wird bestimmt bald hier eintreffen“, versicherte sie.
„Der Mann, der uns gefangen hält, ist Mr. Poole. Ich habe ihn sofort erkannt, als er mich auf dem Markt ansprach und mir sagte, er wolle mir etwas zeigen. Ich dachte, er würde mich zu dem kleinen Jungen führen. Aber er hat mich hergebracht und eingeschlossen.“ Erneut fing Lavinia zu weinen an.
„Fassen Sie sich, Lady Lavinia“, sagte Frances beschwichtigend. „Ihr Vater wird uns befreien. Und falls Sie noch immer glauben, er sei der Vater des Kindes, dann kann ich Ihnen sagen, dass nicht er, sondern sein Bruder John das ist. Ihr Vater hatte ihm versprochen, sich um den Jungen zu kümmern. Als Mrs. Poole dann mit ihrem Sohn verschwand, machte er es sich zur Aufgabe, die beiden aufzuspüren.“
„Warum hat er mir das nicht erzählt?“
„Er hatte seine Gründe. Inzwischen weiß er jedoch, dass er Sie hätte informieren müssen. Der Junge ist mittlerweile gefunden worden und befindet sich im Waisenhaus. Ich nehme an, Ihr Vater hat ihn schon gesehen“, fügte Frances hinzu und berichtete Lady Lavinia, was sich zuvor zugetragen hatte. „Da er nicht wissen kann, dass wir in diesem Gasthof sind, müssen wir uns irgendwie bemerkbar machen.“
In diesem Moment kam Mr. Poole ins Zimmer und verlangte von Frances, sie solle für ihn einen Brief an den Duke of Loscoe schreiben. „Und was ist, wenn ich mich weigere?“, fragte sie aufsässig.
„Dann werde ich Mittel und Wege finden, wie ich Sie dazu bringen kann“, antwortete er grinsend.
10. KAPITEL
Marcus traf Major Greenaway in dessen Unterkunft an und erklärte ihm rasch, weshalb er ihn aufgesucht hatte.
„Ihre Tochter ist verschwunden? Wie? Wann?“
„Das weiß ich nicht. Sie war ohne meine Erlaubnis gestern Abend bei einem Ball und hat dabei von Lord Willoughbys Sohn gehört, der verschwundene Junge sei mein Sohn. Vermutlich hat sie sich furchtbar darüber aufgeregt.“
„Das kann sein. Das ist sogar sehr wahrscheinlich. Aber glauben Sie wirklich, dass sie deswegen verschwunden ist? Meinen Sie, sie konnte die Schande nicht ertragen?“
„Lady Corringham ist dieser Ansicht.“
„Ah! Sie weiß also über die wahre Abstammung des Jungen Bescheid?“
„Ja. Ich will jetzt die Suche nach meiner Tochter in die Hand nehmen und mich der Unterstützung der Konstabler versichern. Falls dieser Verrückte …“
„Sie meinen Mr. Poole? Glauben Sie, dass er wieder in London ist?“
Als Marcus mit Major Greenaway in Derbyshire gewesen war, hatten sie herausgefunden, dass die aufständischen Weber von Mr. Poole zu einem Angriff auf den Landsitz aufgestachelt worden waren. Es war dem Duke jedoch im letzten Augenblick gelungen, die erregten Männer davon zu überzeugen, dass er nichts mit den
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