Kuess mich
Sophie – der Grund für die anhaltende, geistige Unzurechnungsfähigkeit meines Vaters – unterhält sich gerne mit mir! Wir reden dann über die faszinierende Tatsache, dass ich groß geworden bin, obwohl ich rauche, aber auch über so traurige Dinge, wie die Begebenheit, dass ich keinen pubertätsbedingt verwirrten Freund habe, der zuhause auf mich wartet! Vielleicht kann Sophie mich ja mit ihren Sohn verkuppeln, aber nur wenn er mindestens genauso spießig ist wie seine Mutter! Ich will schließlich einen Seelenverwandten finden!
In den nächsten Tagen, werde ich versuchen, meine Fertigkeiten im Blumenkranzflechten zu perfektionieren! Außerdem will ich eine Kuh domestizieren und einen Gartenzwerg sprengen, das sind meine neusten Pläne!
Ich hoffe ihr denkt ab und zu an mich und findet Zeit für eine Antwort, da ich mich sonst wahrscheinlich erschieße! Hirn an der schönen Blumentapete wäre unschön, also schriebt mir.
Mephistophelische Grüße aus der grünen Hölle, eure
Sam
Seufzend und doch stolz auf die gelungene Beschreibung ihrer Situation, tauschte Sam den Stift gegen eine Zigarette.
In Gedanken sah sie Bastian und Pia ihren Brief lesen, mit einem Cocktail in der Hand und einem hämischen Grinsen im Gesicht. Sie sollten sich ruhig lustig machen, sie hätte selbst nichts anderes getan.
Während Sam die Augen schloss, überkam sie das Heimweh. Sie ließ es zu, weil melancholisch zu werden manchmal gut tat. Sie sehnte sich nach ihrer Stereoanlage, dem Verkehrslärm und sogar nach Pias ständigen Schwärmereien. Bastian fehlte ihr auch, seine blöden Witze und sein Grinsen. All diese Bilder im Kopf schlief sie ein.
Sam träumte von der Schule und Bio-Mayer, der im Unterricht einen Gartenzwerg sezierte. Auf dem Platz neben ihr saß Sophie, die angestrengt alles mitschrieb, was Bio-Mayer von sich gab. Zu ihrer Rechten konnte sie Bastian erkennen, er saß dort ohne Shirt und grinste sie an. Als Sam zur Tür schaute, musterten sie Huskyaugen. Chris trug wieder nur eine Badehose und war komplett nass.
>> Wer ist das? << , vernahm sie Bastians Stimme, ganz nah an ihrem Ohr.
>> Nessie << , antwortete Sam tonlos.
Bio-Mayer, Sophie, der Gartenzwerg und Bastian starrten alle auf Chris, der nur schief lächelte und dann den coolsten Auftritt hinlegte, den je ein Mensch abseits der Kinoleinwand gemacht hatte.
Er hielt direkt vor Sams Tisch an. Seine Haare tropften. Als er den Mund aufmachte, wurde der Traum seltsam.
>> Aufwachen << , murmelte er leise.
Sam war sich sicher, dass sie etwas anderes von ihm hören wollte, trotzdem wiederholte er sich.
Völlig verwirrt und desorientiert öffnete sie die Augen einen Spalt und schloss sie wieder, weil das helle Tageslicht blendete.
>> Scheiße… << , murmelte sie mit belegter Stimme. Ihr Nacken tat weh.
>> Träumst du noch immer, Prinzessin? <<
Jetzt war seine Stimme lauter, hörbarer, realer.
Sam öffnete nochmal die Augen und blickte in das Gesicht, das sie gerade eben noch im Traum gesehen hatte. Er grinste ein amüsiertes, neugieriges Grinsen und präsentierte dabei ein paar schneeweiße Zähne.
>> Waahs…? <<
Sams Hirn arbeitete quälend langsam. Sie begann nach und nach zu begreifen, dass sie geschlafen hatte, dass sie in dem Liegestuhl am Balkon lag und dass dieser Chris echt war.
>> Schläfst du gerne draußen? << , fragte er und ging neben ihr in die Knie.
Heute trug er ein T-Shirt, aber es war eng genug um die berüchtigten Bauchmuskeln zu erahnen. Als Sam begriff , über was sie gerade nachdachte, legte sie sich die Hände aufs Gesicht, nur um dann seltsame Geräusche von sich zu geben.
>> Ähhhn. <<
Chris lachte.
>> Gestern warst du aber noch eindeutig eloquenter. Kann es sein, dass du einen Schlaganfall hattest? <<
Er üb erflog Sams Brief, während sie versuchte, die Kontrolle über ihr Sprachzentrum wiederzuerlangen.
>> Mephistophelisch…das steht aber wer auf harte Worte! Du findest es echt furchtbar hier, oder? <<
Jetzt machte es in Sams Kopf klick.
>> Was willst du hier? << , fuhr sie den ungebetenen Gast an und riss ihm das Stück Papier aus der Hand.
Mit einem Ruck, raffte sie sich auf und strich sich mit den Fingern die Haare glatt.
>> Du siehst süß aus, wenn du so verwirrt bist << , entgegnete ihr ein noch immer breit lächelnder Chris.
>> Was willst du? <<
Sam war nicht in der Stimmung für Besuch. Sie fühlte sich, als hätte sie ein Zug überfahren, sie hatte zu wenig geschlafen und zu
Weitere Kostenlose Bücher