Küsse, die "Verzeih mir" sagen
geschenkt.“
„Roberta ist so nett zu Nicky. Ich bin wirklich froh, dass ihr hergezogen seid. Nicky braucht dringend Freunde. Und hoffentlich bekommt er auch irgendwann ein Geschwisterchen.“
„Bestimmt.“
„Wir arbeiten daran“, gestand Rachel. „Vances erste Frau war mit ihm zusammen beim Militär. Sie wollten Kinder, aber sie kam im Irak ums Leben.“
Erschüttert schlug Annie die Hand vor den Mund. „Das wusste ich nicht.“
„Ja, das war vor etwas über fünf Jahren. Er liebt Nicky wie seinen eigenen Sohn, und er ist ein wundervoller Vater. Ich hätte gern ein Kind mit ihm, das er von Anfang an aufwachsen sieht. Ich kann es gar nicht abwarten.“
„Es ist eine unvergleichliche Erfahrung“, sagte Annie.
Eine, die Chase verpasst hatte. Besser, sie wechselte das Thema, bevor sie in Tränen ausbrach.
„Ihr seid gerade erst von der Hochzeitsreise zurück, habe ich gehört. Dann hast du wohl auch noch einen Umzug vor dir?“
„Nein, nicht wirklich. Mein Vater wurde gerade am Herzen operiert, und meine Eltern ziehen in der Woche vor Halloween nach Kalifornien und bringen meine Sachen gleich mit. Und dann werde ich Vances Haus erst mal von Grund auf renovieren. Das ist wirklich überfällig.“
„Wem sagst du das“, murmelte Annie mit einem vielsagenden Blick auf ihr Wohnzimmer, das mit seinen zusammengewürfelten Möbeln und Dekors auch keinen Designpreis gewonnen hätte. „Werden deine Eltern auch hier im Park wohnen?“
„Nein. Vance hat von seinen Großeltern ein Haus in Oakhurst geerbt. Das ist nur zehn Minuten vom Parkeingang entfernt.“
„Oh, wie schön! Meine Eltern wohnen in San Francisco, da haben wir es leider etwas weiter. Aber wir kriegen das schon hin.“
„Ja, die Familie ist das Wichtigste. Deshalb hat auch Chase …“ Sie unterbrach sich. „Entschuldige, ich wollte nicht damit anfangen.“
„Ach komm. Vance und er sind beste Freunde, das lässt sich sowieso nicht vermeiden.“
„Jedenfalls … ich finde, er ist ein ganz neuer Mensch, seit er sich wiedergefunden hat. Er ist außer sich vor Freude über seine Tochter.“
„Es war für uns alle ein einschneidendes Erlebnis“, sagte Annie mit zittriger Stimme.
„Vance hat gesagt, Chase litt unter Depressionen, als er vor drei Jahren hier im Park anfing. Und es wurde mit der Zeit immer schlimmer. Als ich ihn im Juni kennengelernt habe, mochte ich ihn sehr, aber ich spürte diese tiefe Traurigkeit in ihm. Ich dachte, es wäre wegen seiner Scheidung.“
„Welche Scheidung?“, fragte Annie alarmiert.
„Die, die er erfunden hat. Sie gehörte zu der Identität, die er im Zeugenschutzprogramm angenommen hat.“
„Davon wusste ich nichts. Aber natürlich musste er irgendeine Geschichte zu seiner Vergangenheit erfinden.“
Rachel nickte. „Aber weißt du, was komisch war? Obwohl das mit der Scheidung nicht stimmte, habe ich es sofort geglaubt. Da war diese Leere in seiner Stimme. Irgendetwas fehlte. Jetzt, wo ich die Wahrheit kenne, verstehe ich es natürlich. Er musste jahrelang seine Vergangenheit verleugnen. Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen.“
Das Gespräch stürzte Annie in neue innere Konflikte. Erst jetzt wurde ihr klar, dass Chase auch in den letzten zehn Jahren jeden Tag in Gefahr gewesen war. Davor hatte er so viele furchtbare Dinge gesehen. Und sie war nicht da gewesen, um sie mit ihm zu teilen.
„Und wie denkt Vance über die ganze Sache?“
„Wir hätten uns deshalb beinahe gestritten. Ich denke, es war falsch von Chase, sich nicht vom Krankenhaus in der Schweiz aus bei dir zu melden. Aber ich glaube, Vance hätte genauso gehandelt. Er hat im Irakkrieg zu viel davon gesehen, wozu Menschen fähig sind. Für ihn und Chase zählt daher nur eins: Die Frauen zu schützen, die sie lieben.“
„Aber Frauen können auch kämpfen.“
„Das wissen wir beide, aber Chase und Vance geht es dabei auch um die Ehre. Sie sind durch und durch ehrenhaft. Du hättest sehen sollen, wie wütend ich war, als ich Vance kennenlernte. Ich hatte ihm die Schuld am Tod meines Bruders und meiner Schwägerin gegeben. Er ist hier der Chefranger, und sie sind umgekommen. Ich wollte ihn wegen fahrlässiger Tötung verklagen.“
„Wirklich?“
„Oh ja. Wir hatten keinen besonders guten Start, und ich bin wutentbrannt aus seinem Büro gestürmt.“
„Das kann ich mir kaum vorstellen.“
Rachel lächelte. „Ich weiß. Aber wenn ich richtig wütend bin … Na ja, jedenfalls kam er dann am Abend dazu, als Nicky
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