Kuesse - heiß wie die Sonne Siziliens
und das in der Sonne glänzte. Aber seine Bewunderung glich dem Gefühl, das er vor einem Gemälde von Tizian empfand: kühle Distanz. Diese Haltung verlor er schlagartig, als er sie sich als halb entkleidetes Modell des venezianischen Malers vorstellte.
Er verspürte ganz überraschend Lust, die ihn wie eine heiße Welle durchlief. Seitdem seine Affäre mit Magdalena so desaströs geendet hatte, war er gegen weibliche Reize immun gewesen. Ob seine Libido wieder erwacht und wohlauf war? Vielleicht hatte schon das Wissen genügt, dass er endlich genesen war und sich wieder um sein Leben und die Weinberge kümmerte. Dann schadete auch ein Seitenblick auf eine Frau mit rotgoldenem Haar nichts, jedenfalls solange sie nicht lange blieb. Alles, was er vom Leben erwartete, war die Rückkehr zu dem Zustand, wie er einmal gewesen war – vor der Dürre, dem Pilzbefall, vor Magdalena. Fast hatte er es geschafft. Er spürte eine neue Energie in sich, ein Gefühl der Hoffnung und sein Ziel so nahe wie die Weinstöcke links und rechts des Pfads.
Dario konzentrierte sich jetzt bewusst auf den Wein. Er pflückte und kostete hier und da eine Traube an einem der wenigen Rebstöcke, die nicht erfroren waren – sehr viel sicherer als die Frau zu beobachten. Eine echte Überraschung war der Zuckergehalt der Trauben. Genau richtig für den hervorragenden Dessertwein, für den sie berühmt waren. Doch daraus konnte nur etwas werden, falls diese Frau Vernunft annahm und ihm das Feld überlassen würde. Wenn er die Sache in die Hand nahm, konnten sie in absehbarer Zeit wieder zurück an der Spitze sein.
Es war eine Sache gewesen, als er herausfand, dass Magdalena ihn betrog. Zehnmal schlimmer war es gewesen, dass er darüber den Kopf verloren und den Wein vernachlässigt hatte. Eine wertvolle Lektion hatte er immerhin gelernt: Egal wie groß die Versuchung war, er würde nie wieder einer Frau verfallen. Seine Familie glaubte ihm nicht. Sie nahmen an, dass seine Zurückgezogenheit im letzten Jahr nur eine Phase war.
Sollte seine Familie ihn doch besessen nennen. Ihm war es gleichgültig. Besser so als nachlässig. Er vergrub sich in Arbeit. Es war seine Entscheidung und seine Verpflichtung. Jemand musste sich um den Wein und die Angelegenheiten der Familie kümmern. Sein Vater war in Palermo beschäftigt, sein Großvater krank. Also war er dieser Jemand. Sollten seine Schwestern ihm doch vorschlagen, er solle ausgehen und eine neue Freundin finden. Es würde nicht passieren. Jetzt nicht. Niemals.
Isabel, die ebenfalls gekostet hatte, leckte sich über die Lippen. Selbst als unerfahrene Anfängerin, die nicht darin geübt war, den Geschmack der Trauben direkt vom Stock zu beurteilen, war sie vollkommen überrascht von deren Süße. Vorfreude und Aufregung ergriffen sie. Dies waren besondere Trauben. Sie hatte von diesen zuckersüßen Trauben gelesen, es gab sie an alten Weinstöcken – ihren Weinstöcken.
Sie drehte sich zu Dario um. „Sie sind ausgezeichnet“, sagte sie. „Sind das die Trauben, aus denen der berühmte Amarado-Dessertwein gemacht wird?“
Er zögerte. Wusste er es nicht, oder wollte er es ihr nicht sagen? Schließlich nickte er.
Sie begriff, dass er nicht wollte, dass sie es erfuhr. Er wollte sie entmutigen und dazu bringen abzureisen. Und natürlich vorher an ihn zu verkaufen. Es tat ihm leid, dass sie selbst über die hochwertigen Trauben gestolpert war, die den Frost überlebt hatten. Und offensichtlich waren es mehr als erwartet. Sie konnte es an seinem Mund ablesen, der fest zusammengepresst war, und an den Falten in seiner Stirn. Die Qualität der Trauben war das Letzte, was er ihr vermitteln wollte.
„Ich habe diesen Wein schon mal probiert. Er ist sehr wohlschmeckend. Nachdem ich ein paar Recherchen über die Azienda Spendora angestellt hatte, habe ich einige Flaschen eines alten Amarados bei einem gut sortierten Weinhändler aufgetrieben. Er ist sehr teuer in den Staaten“ – wenn man ihn überhaupt bekommt –, fügte sie in Gedanken an. „Ein Wein der gehobenen Kategorie. Man kann richtig Geld damit machen.“
„Ich würde nicht darauf zählen.“
Sie warf ihm einen Blick zu. Er wusste es. Er musste wissen, wie wertvoll dieser Wein war. „Kein Wunder, dass Sie dieses Land so dringend zurückkaufen möchten. Es ist wegen des Amarados. Ich glaube es nicht. Das alles gehört mir, und ich werde diesen wunderbaren Dessertwein machen. Ich kann es schaffen. Ich weiß es. Ich kann Geld damit
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