Kuesse - heiß wie die Sonne Siziliens
einverstanden sind und sich starrsinnig zeigen, dann verspreche ich Ihnen, dass die Dinge nicht einfach werden für Sie. Sie haben keine Vorstellung davon, wie schwierig es ist, Arbeiter zu bekommen, und Sie werden auch nicht viele Freunde finden.“
Sie erbleichte, versuchte seinen Blick zu erwidern, doch ihre Unterlippe zitterte. Okay, sie würde ihr Pokerface aufsetzen, aber es war ihm schließlich doch gelungen, in ihre Selbstgewissheit eine tiefe Delle zu drücken. Er hatte ihr gedroht. Er war wirklich von Verzweiflung getrieben. Aber längst nicht so sehr wie sie.
„Einverstanden“, sagte sie. „Ich komme mit Ihnen, aber ich warne Sie …“
Er schaute beinahe amüsiert. Was für verteufelt starke Nerven sie hatte, ihn zu warnen, nachdem er sie gerade bedroht hatte. Mit der Handfläche nach vorn hielt er eine Hand hoch. „Keine Warnungen, keine Bedingungen. Ich hole Sie morgen früh um acht Uhr ab.“
„Warten Sie“, sagte sie. „Ich habe meine Nachbarn noch nicht kennengelernt. Sie sagten …“
„Morgen ist ein neuer Tag“, erwiderte er, ohne sich jedoch zu entschuldigen oder irgendwelche Versprechungen zu machen. Sie hatte das Gefühl, als ob er das niemals täte.
Sie waren bei ihrem Mietwagen angekommen. Entsetzt sah sie, das einer der Reifen platt war.
Am nächsten Morgen war Isabel drauf und dran, die Verabredung abzusagen. Hätte sie Darios Telefonnummer gehabt, hätte sie das vielleicht auch getan. Sie wählte sorgsam ihre Capri-Hosen und ein Tank Top, zog sich dann noch einmal um, entschied sich dieses Mal für ein luftiges Nichts von einem Kleid, doch nachdem sie sich im hohen Spiegel ihres Hotelzimmers betrachtet hatte, zog sie ihre Jeans und ein T-Shirt an. Danach wieder ihre Capri-Hosen.
Als ob es einen Unterscheid machte. Der Mann hatte sie gestern kaum angesehen, und wenn er in ihre Richtung schaute, dann sah er keinen lebendigen Menschen vor sich, der nur das beanspruchte, was ihm zustand, geschweige denn eine verärgerte, müde und vom Jetlag geplagte Touristin. Er sah nur ein Hindernis, das ihm im Weg stand.
Wenn sie nur an gestern dachte, als er ihren platten Reifen repariert hatte. Zu Beginn hatte er sie angeschaut, als hätte sie das mit Absicht gemacht, um ihn zu ärgern. Wortlos hatte er sein Hemd ausgezogen und den Kofferraum ihres Wagens geöffnet, um den Wagenheber und den Ersatzreifen rauszuholen …
Isabel bemühte sich, seinen nackten Oberkörper nicht anzustarren – leider vergeblich. Der Anblick dieses muskulösen Brustkorbs ließ ihre Knie schwach werden. Doch da ihr Automobilclub in Italien keinen Service anbot, blieb ihr nichts anderes übrig, als ihm bei der Reparatur ihres Reifen zuzuschauen. Sie hoffte nur, dass er nicht annahm, dass sie ihn dafür bezahlte, indem sie ihm das Weingut verkaufte.
Während er den Wagenheber am Chassis ansetzte, betrachtete sie ihn näher. Er hockte dicht vor dem Rad, und feine Schweißtropfen bedeckten seine breiten Schultern, als er begann, den Wagen hochzuheben. Er murmelte etwas, das sie nicht verstand. Wahrscheinlich so etwas wie: „Verdammte hilfsbedürftige Amerikanerin“.
Sie kniete sich neben ihn. Den Rock hatte sie an einer Seite hochgeschoben, sodass ihre nackten Knie den heißen Asphalt berührten. Schließlich wollte sie es lernen, damit sie eines Tages selbst einen Reifen wechseln konnte. Während sie dort kniete, war sie sich der männlichen Ausstrahlung allzu bewusst, die von seinem halb nackten Körper ausging. Allein die Nähe zu ihm erweckte in ihr das Gefühl, innerlich zu schmelzen. Oder lag es nur an der Außentemperatur?
Er reichte ihr vier kleine Metallteile, die er irgendwo herausgenommen hatte, und dabei streifte seine Handfläche ihre Finger. Er duftete nach reifen Trauben und der heißen italienischen Sonne. Sie glaubte, ohnmächtig zu werden. Kein Wunder, es war weit über die Mittagszeit, und sie hatte seit Stunden nichts gegessen, nur ein halbes Glas Wein zu sich genommen. Vielleicht fühlte sie sich deshalb so schwindelig.
Als er den Ersatzreifen aufgezogen hatte, bedankte sie sich mit einem Grazie und einem Lächeln.
Er lächelte nicht zurück. Was sie auch nicht erwartet hatte. Wenn er ihr gegenüber jemals so etwas wie guten Willen empfunden hatte, so war dieser jetzt aufgebraucht. Nachdem er ihren Reifen gewechselt hatte, konnte sie sich kaum noch beschweren. Er mochte der Besitzer großer Ländereien sein, doch war er sich nicht zu fein, eine schmutzige Mechanikerarbeit zu machen.
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