Kuesse - heiß wie die Sonne Siziliens
ist, wird sie ihr Bündel schnüren. Im Augenblick ist sie noch unschlüssig.“ Diese letzte Bemerkung entsprang wohl eher seinem Wunschdenken. „Wenn du jetzt hierbleibst, sagst du womöglich etwas Falsches, und sie sitzt auf ewig auf ihrem Gut. Es ist ihr gegenüber unfair, sie zu ermutigen.“
„Sie ermutigen? Ich wollte sie nur mal sehen und Hallo sagen.“
„Nicht heute.“
Sein Bruder war keineswegs einverstanden, aber nach einem erregten Wortwechsel fuhr er schließlich los, und Dario atmete erleichtert auf. Es war egal, wie die Frau aussah, sie war neu in der Gegend, sie war eine Herausforderung, und er traute seinem Bruder nicht zu, der Versuchung zu widerstehen. Für einen Moment hatte sie ihm wirklich leidgetan: Als sie von ihrer Kindheit erzählte, hatte er kurz sein Ziel aus den Augen verloren, das darin bestand, sie vom Offensichtlichen zu überzeugen. Dies hier war kein Platz für eine Anfängerin, schon gar nicht für eine alleinstehende Frau, eine Fremde noch dazu, die nichts vom Weinanbau verstand. Es war wirklich in ihrem eigenen Interesse, dass sie entweder ein anderes Haus auf Sizilien fand oder nach Amerika zurückflog. Er wollte nur ihr Bestes – und das seiner Familie natürlich.
Und da sollte sein Bruder nicht ins Spiel kommen. Cosmo war ein Frauenheld, ein Playboy, der gern seinen Spaß hatte. Mit anderen Worten, ein echter Sizilianer. Eine Fremde in der Stadt, ein frisches Gesicht und ein paar Kurven an den richtigen Stellen brachten ihn in Schwung. Und er hatte Charme und verstand zu bezaubern. Aber das waren nicht die Charaktereigenschaften, die heute gebraucht wurden.
Dario hatte aus schmerzlicher Erfahrung gelernt, was sein Bruder nicht wusste oder nicht glauben wollte. Dass Frauen Meister der Täuschung waren. Nur selten waren sie das, was sie zu sein schienen. Schön oder nicht, sie vermochten sich unschuldig oder verletzlich geben, in Wahrheit waren sie hart wie polierter Marmor, mit eisernem Willen, selbstbezogen und zu Lüge und Betrug fähig.
Als Isabel aus der Küche heraustrat, eine Flasche Wein unter dem Arm und ein wenig Schmutz auf der Wange, wusste Dario, wie sein Bruder dagestanden hätte: mit offenem Mund und gebannt von der Natürlichkeit dieser Amerikanerin, geblendet von ihrem roten Haar und der blassen Haut. Nein, schön war sie nicht, aber sie war auf eine Weise attraktiv, wie Dario sie nie zuvor gesehen hatte. Eine gewisse Frische umgab sie, und sie strahlte vor Stolz auf ihren neuen Besitz – die Azienda.
Gut, dass sein Bruder gefahren war. Er konnte sich bildlich ausmalen, wie er sich an sie herangemacht hätte. Ihr Italienischstunden angeboten hätte, Sightseeing und Gott weiß was noch. Was er selbst genau so gemacht hätte, bevor er Magdalena getroffen hatte. Und als er seine Augen öffnete, steckte ein Messer in seinem Rücken.
Die Amerikanerin war das neue Mädchen in der Stadt, und um ihren vollen Mund und ihren Körper lag ein verführerischer Reiz, der nicht zu leugnen war. Dario hätte schon blind sein müssen, um ihre langen, wohlgeformten Beine nicht zu bemerken. Ihre Augen waren von einem warmen Braun, und wenn sie überrascht wurde, weiteten sich diese Rehaugen ganz entzückend. Wenn sie lächelte, was selten geschah, zuckten ihre Mundwinkel leicht. Ja, sein Bruder wäre vom ersten Moment an verloren gewesen und hätte dem Eindringling den roten Teppich ausgerollt.
Dario hingegen ließ sich von einem hübschen Gesicht nicht einwickeln, egal wie unschuldig sie aussah, selbst dann nicht, wenn es umspielt wurde von Haar in der Farbe des Herbstlaubs. Er hatte sich einmal verbrannt. Nie mehr wieder. Es war zwar schon mehr als ein Jahr vergangen, seitdem er den Fehler gemacht hatte, Magdalena zu vertrauen, doch der Schmerz war noch so brennend wie ein Brandwunde.
Seine Art, die richtige Art, mit der Erbin umzugehen, bestand darin, Distanz zu wahren. Er würde ihr die schlimmsten Seite der Azienda zeigen und dann ein großzügiges Angebot in den Ring werfen. Auf lange Sicht wäre sein Weg der freundlichere – besser jedenfalls als die Hände in den Schoß zu legen und in Ruhe abzuwarten, bis sie ihren Kampf verloren gab und ihre Niederlage eingestehen musste.
„Mein Bruder war eben hier.“
„Wie schade, ich hätte ihn gern kennengelernt“, sagte sie. „Warum ist er nicht geblieben?“
„Er hatte noch eine Verabredung“, antwortete Dario. „Vielleicht ein anderes Mal.“
„Ich habe noch eine Flasche Wein gefunden, die ich gern
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