Küsse im Mondschein
zarter Schleier, der das Kornblumenblau ihrer Augen überschattete - und dieser Anblick wiederum stimmte Martin ganz und gar nicht glücklich.
Langsam flanierten sie durch die stetig größer werdende Gästeschar, die in die Räumlichkeiten Ihrer Ladyschaft geströmt kam. Unmittelbar vor ihnen beiden lag ein Alkoven, in dem sich die Büste irgendeines längst verstorbenen Generals präsentierte. Martin schloss seine Finger um Amandas Hand und verlangsamte seinen Schritt ein wenig.
Dann, dicht vor dem Alkoven, hob er Amandas Hand, die noch immer sein Orchideensträußchen hielt. Doch er betrachtete nicht die Blumen sondern ihr feinknochiges Handgelenk, unter dessen porzellanweißer Haut zart die blauen Äderchen hervorschimmerten. »Er hat dir doch hoffentlich nicht wehgetan, oder?«
Aus seinen scheinbar ganz gelassen vorgebrachten Worten war deutlich Martins besitzergreifende Art herauszuhören; und er versuchte noch nicht einmal, dies zu verbergen. Er schaute in Amandas weit aufgerissene Augen, hielt seinen Blick fest in den ihren gesenkt. Unterdessen ließ er die Fingerspitzen in einer federleichten Liebkosung über ihr Handgelenk gleiten, bis er sie schließlich sanft über genau jener Stelle schloss, an der das Beben ihres Pulses zu fühlen war - sofort beschleunigte sich ihr Herzschlag.
Martin spürte, wie Amanda den Atem anhielt, bemerkte, wie ihre Pupillen sich weiteten, sah, wie sie ganz bewusst beschloss, ihren Blickkontakt kühn noch etwas länger andauern zu lassen, um für einen winzigen Augenblick das Verlangen zwischen ihnen aufbranden zu spüren, jenes warme, verlockende Versprechen der Leidenschaft - bis sie ihrem beiderseitigen Begehren notgedrungen wieder ein Ende setzen mussten.
Ein wenig später, als ihr Atem wieder ruhiger ging, neigte Amanda den Kopf und erwiderte leise: »Danke, dass du mich gerettet hast.«
Ein Lächeln huschte über Martins Lippen. Den Blick noch immer auf Amanda gerichtet, hob er ihre Hand. »Das Vergnügen«, murmelte er, »war ganz auf meiner Seite.« Zart hauchten die letzten Worte über die empfindsame Haut an ihrem Handgelenk. Dann legte Martin den Mund auf ihren Puls, presste ihn geradezu auf ihre zarten Adern.
Schließlich führte er ihre Hand wieder zurück an ihren Platz auf seinem Arm. In vollkommenem Gleichschritt setzten sie ihren kleinen Spaziergang fort.
Am anderen Ende des Ballsaales breitete sich unterdessen ein düsterer Schatten über Vane Cynsters Gesicht. Er schaute seiner Cousine mit den goldblonden, gelockten Haaren und deren Begleiter noch so lange nach, bis die Menge ihm schließlich die Sicht versperrte.
»Da bist du ja!« Vanes Frau, Patience, kam auf ihn zugerauscht und schob sogleich ihren Arm unter dem seinen hindurch. »Lady Osbaldestone möchte sich gerne einmal mit dir unterhalten.«
»Aber nur, solange sie ihren Rohrstock bei sich behält.« Vane ließ sich von Patience davonziehen. Dann, als die Menge sich vor ihnen teilte, fiel sein Blick abermals auf Amanda und ihren Begleiter. Abrupt blieb Vane stehen; gezwungenermaßen musste also auch Patience anhalten. Fragend schaute sie zu ihm auf.
»Wer, zum Teufel, ist denn das da?« Vane deutete mit einem knappen Nicken zum anderen Ende des Saales hinüber. »Der Kerl da, mit dem Amanda unterwegs ist.«
Patience spähte in die Richtung, in die er gezeigt hatte und fragte sich, wen Vane wohl meinte. Dann lächelte sie. »Dexter«, erwiderte sie knapp und zog ihren Ehemann gleich wieder ein Stückchen weiter. »Ich dachte, du hättest schon davon gehört. Seine Rückkehr in die Kreise der Londoner Gesellschaft war in letzter Zeit doch das Hauptgesprächsthema in den Salons.«
»Du weißt doch genauso gut wie ich, dass ich und auch all die anderen um diese Salons stets einen weiten Bogen machen.« Vane musterte den Gesichtsausdruck seiner Frau, dann huschte ein leises Lächeln über seine Lippen. »Wie lauten denn die neuesten Spekulationen?«
»Die neuesten Spekulationen drehen sich darum, was genau Dexter wohl aus seinem riesigen Haus in der Park Lane gelockt hat - also was der Grund für seine Rückkehr in die Gesellschaft ist.«
Abermals blieb Vane unvermittelt stehen und wirbelte Patience geradezu zu sich herum. »Damit ist doch wohl hoffentlich nicht Amanda gemeint?«
Entsetzen spiegelte sich in seinen Augen wider. Patience aber lachte nur. Sie tätschelte ihm beruhigend die Schulter, hängte sich dann bei ihm ein und drängte ihn weiterzugehen. »Doch, genau dieser Grund ist
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