Küsse im Mondschein
wieder neuen Händen verschränkte, ließ Martin den Blick über die in diesem Saal versammelte Gesellschaft schweifen. Es waren inzwischen so viele Gäste anwesend, dass sich der Ball schon zu einer wahren Massenveranstaltung ausgewachsen hatte. Alle waren sie hier; sogar Amandas Cousins. Zwei von ihnen hatte er bereits entdeckt und hatte auch gehört, wie das Erscheinen der St. Ives angekündigt worden war, doch den anderen männlichen Mitgliedern des Cynster-Clans war er in der Menge bislang noch nicht begegnet. Im Laufe der vergangenen Wochen war Martin allen ihren Ehefrauen vorgestellt worden, die ihm bei diesen Begegnungen stets - wenngleich ohne Worte - zu verstehen gegeben hatten, welche gewisse Hürde er noch würde überwinden müssen, beziehungsweise wie das Urteil der Familie lautete, das sie in Bezug auf sein Werben um Amanda bislang gefällt hatten.
Sie alle mochten ihn durchaus, aber …
Martin wusste genau, weshalb sie sich ihm gegenüber zunächst noch zurückhaltend gaben. Und er würde besagte Hürde auch ganz bestimmt angehen. Aber erst dann, wenn er sich Amandas Hand endlich sicher war. Zwischenzeitlich hatte zwar auch sie ihn bereits ihrer ganz eigenen Art von »Befragung« unterzogen, und ihre Reaktion auf seine Antworten sowie auch alles andere, was sie diesbezüglich später noch zu ihm gesagt hatte, verrieten ihm, dass Amanda sich nicht im Geringsten um jene alte Geschichte scherte; für ihre Familie hingegen war der Skandal durchaus noch von Bedeutung. Und Martin konnte diese Haltung sogar nachvollziehen.
Er würde das leidige Thema also wohl doch noch einmal angehen und bereinigen müssen, aber … im Augenblick konnte er sich einfach noch nicht dazu durchringen. Er würde dies erst dann fertigbringen, wenn ihm keine andere Wahl mehr blieb, wenn Amanda endlich bereit wäre, ihn zu heiraten, und wenn das letzte noch verbleibende Hindernis vor ihrer Hochzeit somit genau jener Skandal wäre.
In diesem Moment rauschte Countess Lieven an ihm vorüber; hoheitsvoll nickte sie ihm zu. Auch Lady Esterhazy hatte ihm zuvor bereits ihre Anerkennung bekundet. Ebenso wie Sally Jersey - jedes Mal, wenn sie ihn sah, fragte sie auch nach Amanda.
Martin ließ den Blick zu Amanda zurückschweifen, denn der Tanz hatte geendet. Lächelnd vollführte sie gerade einen kleinen Knicks vor Lord Wittingham. Dann erhob sie sich wieder und sah sich um - sah sich um nach ihm, Martin.
Martin stieß sich von der Wand ab, an der er gelehnt hatte. Aller Augen ruhten auf ihm, beobachteten ihn erwartungsvoll … nun war die Reihe wieder an ihm.
Auch Amanda sah, wie er durch die Menge auf sie zueilte; zuversichtlich und selbstsicher blieb sie, wo sie war, wartete, bis er bei ihr angelangt war und ihre Hand ergriff. Dies war eine Arena, in der sie nichts zu befürchten hatte. Er konnte sich ja schlecht mitten im Ballsaal auf sie stürzen …
Und das Schlimmste, was er irgend hätte anstellen können, hatte er ja bereits getan: Er hatte die gesamte bessere Gesellschaft - oder zumindest all jene, auf die es ankam - davon überzeugt, dass eine Verbindung zwischen ihnen beiden durchaus angemessen, ja sogar wünschenswert wäre, und dass er selbst die noch verbleibenden Vorbehalte irgendwann schon überwinden würde, sodass die Vermählung bereits geradezu vorherbestimmt sei.
So weit, das musste Amanda ihm eingestehen, war sein Plan bereits gediehen. Aber selbst, wenn besagte versammelte bessere Gesellschaft von London bereits über ihre Ehe entschieden haben mochte, so ließ Amanda sich doch von niemandem zu irgendetwas zwingen. Oder, um es mit anderen Worten zu sagen: Sie würde den Kuchen, den Martin ihr anbot, nur dann annehmen, wenn er ihr auch noch das Sahnehäubchen darauf lieferte. Und bis er bereit war, ihr genau diesen Wunsch zu erfüllen, würde sie weiterhin an seiner Seite durch die Ballsäle schlendern und darauf warten, bis das beständige Zusammensein seinen Willen endlich genauso schwächte, wie es auch schon Amandas Widerstand untergraben hatte.
Und überhaupt hatte Amanda schließlich bereits wesentlich mehr Übung darin, ihre Wünsche nicht sofort erfüllt zu bekommen, als Martin.
Während Martin also auf sie zuschritt, dankte Amanda Lord Wittingham noch rasch für den Tanz und wandte sich dann, mit einem noch eine Spur herzlicheren Lächeln, wieder Martin zu. Immerhin, das musste sie sich im Stillen dann doch eingestehen, hatte ihr Löwe die allgemeine gesellschaftliche Ansicht über ihre Verbindung
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