Küsse im Mondschein
wirklich wahr -«
Da sah Martin das helle Aufleuchten, bemerkte, wie sich in den Augen seines Cousins plötzlich ein etwas sanfterer Ausdruck widerspiegelte, wenngleich diese von einem so dunklen Blau waren, dass sie fast schon schwarz erschienen und darum nur schwer zu deuten waren. Er sah dies alles in jenem kurzen Moment, ehe er Lucs Blick folgte - hin zu Amelias zartem Gesicht.
Luc versuchte also nicht, Amanda zu beschützen, sondern er wollte sich vor Amelia stellen, deren Zwillingsschwester. Und Luc wusste, dass alles, was Amanda Kummer bereitete, auch Amelia schmerzen würde.
Martin war ganz fasziniert von seiner Entdeckung, gleichzeitig aber konnte er kaum etwas tun, um die Vermutungen seines Cousins über ihn zu entkräften. Doch da die Cynsters den Ashfords sehr nahestanden, würden die letzten Neuigkeiten sicherlich auch bald den Weg in Lucs Ohren finden, sodass dieser dann hoffentlich begreifen würde, dass Amanda - und damit auch Amelia - nichts von Martin zu befürchten hätten.
Nachdem sie das Abendessen beendet hatten, erhoben sie sich alle gemeinsam und schlenderten zurück in den Ballsaal. Amelia allerdings wirkte plötzlich wie verstummt - Wortgewandt übernahm also Amanda die Führung der Unterhaltung und stellte Luc einige Fragen zu dessen Schwestern. Seine Antworten fielen jedoch zunehmend schroffer aus. Als die Musik schließlich wieder begann, wandte er sich abrupt zu Amelia um und bat sie um den nächsten Tanz.
Amandas Schwester reichte Luc ihre Hand und mit allgemein höflichem Nicken entfernten die zwei Paare sich wieder voneinander. Auch Amanda wandte sich daraufhin ihrem Tanzpartner zu. Kurz bevor Martin sie aber in seine Arme schloss, konnte er noch erkennen, wie ein zufriedenes, kleines Grinsen über ihre Lippen huschte.
»Dann hatte ich also Recht.« Die über die Tanzfläche wirbelnden Paare erinnerten irgendwie an ein wogendes, aufgewühltes Meer; er dirigierte Amanda genau in die Mitte hinein. »Dann gibt es da also so eine Art Übereinkunft zwischen Luc und deiner Schwester.«
Amanda runzelte kurz die Stirn, gab dann aber zu: »So genau weiß ich es, ehrlich gesagt, selbst nicht. Aber ich finde, sie würden ganz gut zueinander passen.« Sie hob den Blick zu Martins Gesicht empor. »Was meinst du? Du kennst ihn doch schließlich noch besser.«
Geschmeidig drehten Amanda und Martin sich zu den Klängen der Musik. Unterdessen grübelte er über ihre Frage nach. »Ja, es könnte durchaus funktionieren zwischen den beiden.« Dann blickte er seiner Tanzpartnerin in die Augen. »Deine Schwester ist schließlich nicht wie du.«
Amanda verzog die Lippen zu einem knappen Schmunzeln. »Richtig - sie ist noch ein bisschen störrischer als ich.«
Falls das tatsächlich der Wahrheit entsprechen sollte, konnte Martin Luc wahrlich nur die Daumen drücken. Denn seine, Martins, Wahl - der gegenwärtige Fluch seines Lebens, sozusagen - war schon schlimm genug zu ertragen.
Amanda betrachtete die sie umkreisenden Paare mit einem gelassenen Lächeln, war ganz entspannt und fühlte sich zweifellos sehr wohl in Martins Armen. Genau so gefiel sie ihm am besten, so wollte er sie immer sehen dürfen, wenngleich er dazu zunächst allerdings noch dafür sorgen müsste, dass …
Amanda vertraute ihm ganz und gar und ohne jegliche Vorbehalte. Wie würde sie also reagieren, wenn er den nächsten Schritt tat, wenn er jenen Vorstoß wagte, auf den alle doch schon regelrecht zu warten schienen - wenn er also die letzte Karte, die er bislang noch versteckt hielt, endlich ausspielen würde? Noch war ihr offenbar gar nicht bewusst, dass er überhaupt noch einen kleinen Trick parat hielt. Sie fühlte sich so wohl in seiner Gegenwart, so geborgen, während sie gemeinsam durch die Ballsäle streiften, fühlte sich so sicher bei jeder ihrer gemeinsamen Drehungen, dass sie dabei die nötige Distanz zu ihm verloren hatte. Sie hatte ihn schon lange nicht mehr mit nüchternem Blick betrachtet und folglich auch nicht erkannt, dass er noch immer einen Trumpf im Ärmel hatte.
Und genau diesen Trumpf würde er nun gegen sie ins Spiel bringen müssen. Er würde den nächsten Schritt wagen müssen. Und dennoch...
Martin hob den Blick, ließ ihn langsam zum anderen Ende des Ballsaales hinüberschweifen - da sah er plötzlich einen großen, dunkelhaarigen Gentleman, der gerade eben noch gelassen durch den Raum geschlendert war, nun aber abrupt innehielt, wie angewurzelt stehen blieb und Martins eindringlichen Blick
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