Küsse im Mondschein
mindestens ebenso starr erwiderte. Es war St. Ives. Martin erkannte ihn anhand seiner Größe, an der dominanten Körperhaltung und den arroganten Gesichtszügen. Kaum, dass ihre Blicke sich getroffen hatten, kam aber auch schon die Herzogin von St. Ives auf ihren Ehemann zugeeilt. Sie schien ihm irgendetwas Dringendes zu erzählen und lenkte seine Aufmerksamkeit damit wieder von Martin fort.
Heiß war der Zorn in Martin aufgewallt, ebbte aber bald auch wieder ab. Und sein kühler Verstand gewann abermals die Oberhand. Außerdem fiel ihm auch Lucs Haltung ihm gegenüber wieder ein. Er würde jetzt also endgültig handeln müssen; denn täte er dies nicht, so riskierte er einen ernsthaften Zusammenstoß mit Amandas Cousins.
Wie es unter den meisten der verheirateten Männer ihres Standes üblich war, waren die männlichen Mitglieder des Cynster-Clans bei den ersten Bällen der Saison noch nicht zugegen gewesen. Und ihre Ehefrauen hatten offenbar keinerlei Anlass dazu gesehen, sie bereits von Martins Werben um Amanda in Kenntnis zu setzen. Ansonsten hätte er sicherlich schon von diesen Herren gehört, hätte wahrscheinlich längst einen privaten Besuch von ihnen bekommen.
Die Damen der weit verzweigten Familie Cynster hatten Martin also einen Vorsprung verschafft, hatten ihm Zeit gegeben, Amanda schon einmal so weit entlang jenes Pfades zu führen, den sie beide sich offenbar ausgesucht hatten, wie ihm dies in der kurzen Zeit nur irgend möglich gewesen war. Diese Gnadenfrist war nun aber abgelaufen. Er war also gezwungen, den nächsten Schritt zu wagen.
» Was , bitte schön, ist denn bloß los? Was hast du?«
Er schaute zu Amanda hinab und sah, wie sie seinen Blick suchte.
»Du benimmst dich schon den ganzen Abend über so komisch.«
Sicherlich, er hätte nun einfach ein charmantes Lächeln aufsetzen und ihre Fragen einfach ausweichend beantworten können; stattdessen hielt er den Blick fest in ihre Augen gesenkt, während die Musik langsam leiser wurde und schließlich ganz verstummte. »Ich muss mit dir sprechen.« Er sah sich um. »Irgendwo, wo wir ungestört sind.«
Am nahe gelegenen Ende des Ballsaales befand sich ein kleiner Erker, von dem aus man den Garten sehen konnte. Die Nische war frei, ebenso wie der Bereich unmittelbar davor. Martin führte Amanda in genau diese Richtung. Nachdem sie in den Erker geschlüpft waren, wich Amanda noch ein Stückchen tiefer in die Schatten zurück. Mit fragend erhobenen Augenbrauen, aber dennoch vollkommen entspannt schaute sie ihn an.
Noch war sie davon überzeugt, es gäbe nichts mehr, womit Martin sie noch überraschen könnte.
Dicht vor Amanda blieb Martin stehen, schirmte sie mit seinem Körper quasi vom Rest der Gesellschaft ab. Niemand konnte sie nunmehr belauschen oder ihre Mienen lesen, und dennoch hatte die Hälfte der Londoner Gesellschaft sie weiterhin bestens im Blick.
»Ich habe vor, morgen um deine Hand anzuhalten.«
»Das hast du doch schon…« Dann jedoch verstummte sie, schaute ihn erst verdutzt an und riss dann die Augen weit auf. »Du kannst doch nicht …«
»Ganz offiziell um deine Hand anhalten? Doch, glaub mir, das kann ich.«
»Aber…« Amanda runzelte die Stirn, schüttelte schließlich den Kopf, als ob es sich bei dieser Ankündigung lediglich um einen Vorschlag gehandelt hätte, den sie hiermit ablehnte. »Nein, das macht doch überhaupt keinen Sinn. Ich meine, bis ich nicht zugestimmt habe, werden sie auch nicht zustimmen.«
Amanda hatte noch immer nicht begriffen.
»Sicherlich, so viel ist klar - deine Zustimmung zu unserer Eheschließung muss ich mir wohl erst noch verdienen. Aber das ist ja auch nicht der Zweck einer offiziellen Bitte um deine Hand. Vielmehr bitte ich deine Familie mit diesem Antrag um ihre Erlaubnis, bei dir um deine Hand anhalten zu dürfen.«
Noch immer runzelte Amanda die Stirn, malte sich im Geiste bereits aus, wie … dann aber trat ein Ausdruck puren Entsetzens in ihre Augen. »Gütiger Gott - das darfst du einfach nicht!« Sie packte ihn am Arm, schüttelte ihn. »Bitte, versprich mir, dass du das nicht - dass du das definitiv niemals erwähnen wirst...« Mit hektischen Handbewegungen fuchtelte sie durch die Luft.
»Ich versichere dir, dass niemals auch nur ein Sterbenswörtchen über unsere kürzlich stattgefundenen Tête-à-têtes über meine Lippen dringen wird.«
Amanda wich von ihm fort, zog ihre Hand von seinem Arm und trat endlich auch im Geiste jenen weit ausholenden Schritt vor ihm
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