Küsse im Mondschein
zermarterten sich regelrecht die Köpfe.
Nach einer Stunde ließ Martin sich erschöpft auf seinen Platz zurücksinken. »Das Ganze führt doch zu nichts. Selbst wenn wir nachweisen können, dass er sich ebenfalls im Norden aufgehalten hat, ist damit noch lange nicht belegt, dass er auch den Finger am Abzug hatte. Und angenommen, wir könnten auch das beweisen, dann wäre damit aber wiederum noch nicht die Verbindung zu Sarah und Buxton hergestellt.«
Luc verzog das Gesicht zu einer Grimasse, doch sein Blick blieb hart. »Mir geht es in erster Linie um Sarah. Für ihren Tod soll er büßen. Denn damit hat die ganze Geschichte doch erst angefangen.« Er seufzte. »Wenn sie damals nur irgendetwas gesagt hätte - sich ihrer Amme anvertraut hätte...«
Martin schüttelte den Kopf. »Diese Frage hat uns Mrs. Crockett bereits sehr entschieden beantwortet, und sie hätte es sicher nicht vergessen, wenn -«
»Wartet!« Amanda packte Martins Arm. »Das ist es!«
»Was? Sarah hat keinerlei Hinweise hinterlassen -«
»Nein. Aber das wissen doch nur wir vier und Mrs. Crockett.«
Luc kniff die Augen zusammen. »Wir könnten uns etwas ausdenken -«
»Nicht so ganz.« Amanda fuchtelte energisch mit den Händen, bis die anderen schwiegen. »Jetzt hört mir mal gut zu. Erst einmal rufen wir uns jetzt in Erinnerung, was die Leute - das heißt alle, die sich nicht hier in diesem Raum aufhalten - bislang wissen.« Sie tat einen tiefen Atemzug und ging in Gedanken hastig noch einmal Punkt für Punkt ihren Plan durch, während immer mehr Details sich wie von Zauberhand an den richtigen Platz fügten. »Also, zunächst hat Martin um meine Hand angehalten. Und das bedeutet, dass er auch diesen alten Skandal bereinigen muss. Somit hat er zum ersten Mal seit langer Zeit wieder jenen Ort besucht, wo das Unglück geschah. Und natürlich hat er auch die an dem Skandal beteiligten Leute befragt. So weit ist der Mörder bereits unterrichtet. Er weiß, dass Martin zu Besuch in seinem alten Zuhause war. Das alles passt schon einmal prima zusammen.
Und unter denen, mit denen Martin gesprochen hat, war selbstverständlich auch Mrs. Crockett. Natürlich hat sie uns, solange wir auf Hathersage waren, im Grunde nicht sonderlich weiterhelfen können. Aber nachdem wir wieder abgereist waren, hat sie die alte Truhe durchwühlt, in der Sarahs Vater die Habseligkeiten seiner Tochter aufbewahrt hatte. Da hatte sie bislang noch nicht nachgeguckt, weil sie dachte, dass Martin der Schuldige wäre.«
Amanda warf Martin einen raschen Blick zu. »Ich weiß, dass sie das zwar nicht gedacht hat, aber für meine Geschichte ist es besser, wenn sie genau das angeblich die ganzen Jahre über geglaubt hätte. Denn das würde auch erklären, warum sie bislang noch nicht in Sarahs Tagebuch hineingeschaut hat. Du warst fortgeschafft worden, alle glaubten, du wärst es gewesen - wozu hätte da irgendjemand noch nach weiteren Beweisen für deine Schuld suchen sollen? So... und nun hat Mrs. Crockett sich nach unserer Abreise also wieder an dieses Tagebuch erinnert, war sich jedoch gleichzeitig nicht sicher, ob es überhaupt noch existierte. Aber als sie dann in die Kiste sah, fand sie das Tagebuch, und auch, wenn Sarah darin zwar nicht den Namen ihres Vergewaltigers nennt, beschreibt sie ihn doch immerhin deutlich genug, um den Kerl identifizieren zu können. Jenen Mann, mit dessen Kind sie schwanger war.«
Amanda ließ den Blick über ihr Publikum schweifen. »Sämtliche Männer denken doch, junge Mädchen schreiben alles in ihre Tagebücher, nicht wahr?«
Luc zuckte mit den Schultern. »Tja, solange du da an die unschuldigen, jungen Mädchen denkst - ja, die meisten Männer glauben wohl, dass die ihren Tagebüchern alles anvertrauen.«
Amanda nickte. »Genauso ist es. Mrs. Crockett hat Martin also eine Nachricht zukommen lassen, in der sie ihn fragt, was sie mit dem Buch machen solle. Und du, Martin, hast ihr geantwortet, dass sie es dir nach London schicken soll.« Damit schaute Amanda Martin, Luc und Reggie an. »Das Tagebuch wird also an diese Adresse hier geliefert, an einem bestimmten Tag und zu einer bestimmten Uhrzeit - und es wird mit der Postkutsche gebracht, nicht mit einem Boten. Der Zeitpunkt, wann genau es hier ankommt, steht also bereits fest. Und wir werden natürlich alle hier sein und warten, dass Martin endlich das Buch bekommt und wir lesen können, was darin geschrieben steht -«
»Und Edward wird dann Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um
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