Küsse im Mondschein
wäre das Tagebuch auch noch der Garant dafür, dass ich für die nächste absehbare Zeit der Liebling der Londoner Gesellschaft wäre.« Martin warf Luc einen raschen Blick zu. »Wenn es also tatsächlich Edward sein sollte - der mich immer beneidet hat, wie du sagtest, und der sich zudem nach gesellschaftlicher Anerkennung ja geradezu verzehrt -, dann dürfte diese Kombination aus all den Segnungen, die mit dem Buch geradezu auf mich zu warten scheinen, es ihm unmöglich machen, nicht zu reagieren.«
Als der nächste Tag heraufdämmerte, war alles bereits organisiert. Amanda hatte ihr altes Schultagebuch hervorgekramt, hatte »Sarahs Tagebuch« auf den Deckel geschrieben und es in braunes Papier eingewickelt. Mittlerweile befand sich das Buch auch schon in Jules’ Obhut, der gemeinsam mit einem von Martins Stallburschen in der Morgendämmerung nach Barnet aufgebrochen war.
Jeder von ihnen hatte seine ihm zugeteilte Aufgabe. Reggie blieb in Fulbridge House, um sozusagen die Aufsicht über die Kommandozentrale zu behalten. Die anderen lieferten bei ihm ihre Berichte ab, bestätigten ihm, wenn sie ihre Aufgaben vollendet hatten, und vergewisserten sich, dass alles nach Plan verlief.
Nach einer hitzigen Diskussion hatten sie sich darauf geeinigt, wie sie dafür sorgen wollten, dass auch wirklich alle fünf Männer, die noch auf ihrer Liste standen, von dem angeblichen Tagebuch erfuhren. Denn sie mussten unbedingt sichergehen, dass alle fünf noch vor fünf Uhr an diesem Nachmittag die Nachricht, oder besser die Warnung vor der drohenden Enthüllung, erhielten. Es brauchte die vereinten Argumente von Amanda, Luc und Reggie zusammen, um Martin davon zu überzeugen, dass es unmöglich war, diese Angelegenheit allein im Privaten abzuhandeln.
»Wie dem auch sein mag«, hob Amanda schließlich hervor, »der beste Weg, um zu garantieren, dass die Geschichte häufig genug und vor allem auch schnell genug weitergetratscht wird, damit sie auch wirklich glaubhaft wirkt, ist doch der, sie nur sehr wenigen, ausgewählten Leuten und natürlich ganz ›im Vertrauen‹ zu erzählen.«
Luc hatte Martins wie versteinerten Gesichtsausdruck genau beobachtet und seufzte. »Du kannst nicht beides haben: Entweder bringen wir die Sache jetzt rasch und quasi ganz öffentlich hinter uns - oder wir bemühen uns krampfhaft um Geheimhaltung. Aber dadurch zöge sich die Ausführung des Plans auch wieder in die Länge und würde um einiges gefährlicher.«
Schließlich hatte Martin kapituliert, und alle machten sich mit Feuereifer daran, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen. Und obgleich es mittlerweile recht spät geworden war, begab Luc sich noch auf die Runde durch die Clubs, um die Geschichte in den geeigneten Kreisen zu verbreiten. Danach wollte er dann schließlich noch auf dem Ball vorbeischauen, auf den seine Mutter, seine Schwestern und Edward gegangen waren. Nur dass er seinem Bruder nicht mehr anvertrauen würde, als dass da gerade irgendeine Sache im Gange wäre. Irgendetwas, was mit Martin zu hatte.
Am nächsten Morgen wollte Luc erst Limmers einen kurzen Besuch abstatten und anschließend abermals die Runde durch die Clubs machen, wo er ganz gelassen die anderen vier Verdächtigen jeweils in ein Gespräch verwickeln und hören wollte - natürlich, ohne sie konkret danach zu fragen -, ob sie auch alle tatsächlich bereits von der aufregenden Geschichte erfahren hätten. Höchstwahrscheinlich aber würden sie sogar von allein auf ihn zukommen, um ihn nach dem neuesten Stand der Ereignisse zu befragen, den er ihnen selbstverständlich nicht vorenthalten würde.
Und was Edward betraf, so waren sich alle darin einig, dass er die Neuigkeit aus einer Quelle erfahren sollte, die er wohl niemals von allein befragt hätte. Und diese Quelle waren seine Schwestern, Emily und Anne. Amanda wurde mit der Aufgabe betraut, den beiden alles Wesentliche zu berichten. Gemeinsam mit Louise und Amelia - die war dazu bestimmt worden, ihre Schwester bei deren Aufgabe zu unterstützen - brach Amanda also zu ihrer morgendlichen Kutschfahrt durch den Park auf.
Die Ashfords zu treffen und sich Emily und Anne zu einem kleinen Spaziergang über die Grünflächen anzuschließen, war schon ein richtiges Ritual im Hause Cynster geworden. Wie immer, so flanierte Edward zwar nicht direkt an ihrer Seite, blieb aber immerhin dicht hinter den jungen Frauen. Amelia und ihre Schwester lenkten das Gespräch geschickt auf die bevorstehende Hochzeit von Amanda. Die
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