Küsse im Morgenlicht
Gratulanten sie dort gleich alle auf einmal antreffen.
Den Samstagabend hatten sie dann unter den eindringlichen, um nicht zu sagen penetrant neugierigen Blicken der Gäste auf Lady Harris’ Empfang verbracht; einem der letzten wichtigen Ereignisse, ehe die Londoner Gesellschaft sich auf ihre Sommersitze zurückzog. Das Wetter war bereits etwas wärmer geworden und die Kleidung der Damen dementsprechend freizügiger. Zu Lucs grenzenloser Erleichterung hatte Amelia sich in dieser Hinsicht jedoch zurückgehalten: Sie war in einem goldfarbenen, doch sehr schlicht geschnittenen Seidenkleid erschienen. Gelassen war sie an seinem Arm durch die Räume geschlendert und die ganze Zeit über unsagbar ruhig und charmant gegenüber all denen geblieben, die stehen blieben, um ihnen Glück zu wünschen.
Leider ergab sich währenddessen allerdings nicht die Gelegenheit, auch einmal einen Augenblick ganz mit ihr allein zu verbringen. Doch Luc sagte sich, dass dieser Abend in seinem Leben sicherlich eine einmalige Angelegenheit war, und setzte geduldig eine - wie er meinte - freundlich-aufmerksame Miene auf. Amelia hingegen schien seine Maske durchschaut zu haben, schien die unruhige Verstimmtheit zu erahnen, die er so angestrengt zu verbergen versuchte. Das hatte ihm der forschende Blick verraten, den sie ihm zuwarf, als sie sich am Ende des Abends unter den wachsamen Augen ihrer Mutter voneinander verabschiedet hatten.
Am nächsten Tag, einem Sonntag, hatte er entschieden, dass es ihm im Grunde vollkommen egal war, wenn Amelia wusste, wie ungeduldig er darauf brannte, sie endlich wieder ganz für sich zu haben. Und so hatte er nachmittags bei Amelia vorgesprochen, in der Hoffnung, sie zu einem kleinen Ausflug entführen zu können und wenigstens ein paar kostbare Momente mit ihr allein zu verbringen. Momente, in denen all ihre Aufmerksamkeit allein auf ihm ruhen würde. Dann aber hatte er feststellen müssen, dass die Damen ihrer Familie ein spontanes Treffen anberaumt hatten, um sich zu beratschlagen und einen Plan für die Hochzeit zu erstellen.
Vane, der seine Frau Patience zu dieser Zusammenkunft begleitet hatte, hatte gerade wieder gehen wollen, als Luc eingetroffen war. »Hört auf meinen Ratschlag - im White’s habt Ihr mehr von Eurem Nachmittag.«
Luc hatte weniger als eine Sekunde gebraucht, um Vanes gut gemeinten Tipp zu überdenken und schließlich widerwillig zuzustimmen. Zwar ging es im White’s, einem seiner Stammclubs, um diese Stunde noch furchtbar ruhig zu, doch in jedem Fall war er dort in Sicherheit.
Am Sonntagabend hatten er und seine Mutter das mehr oder weniger traditionelle Abendessen für die Familien von Braut und Bräutigam ausgerichtet. Luc hatte seine Dienerschaft noch nie so aufgeregt gesehen, Cottsloe schien den gesamten Abend über vor Freude fast zu platzen, und Mrs. Higgs übertraf die ohnehin bereits hohen Maßstäbe, die sie bei der Zubereitung ihrer Speisen anlegte, noch um einiges. Und obwohl Luc wieder einmal nicht ein einziges ungestörtes Wort mit Amelia hatte wechseln können, so musste er doch zugeben, dass der Abend alles in allem ganz nach seinen Vorstellungen verlaufen war.
Natürlich war auch Devil eingeladen. Später am Abend hatten er und Luc sich im Salon noch kurz unterhalten. Mit einem aufmerksamen Blick in Lucs Augen und einem verschwörerischen Grinsen hatte Devil gescherzt: »Ich gehe wohl recht in der Annahme, dass Ihr die schmerzliche Angelegenheit noch immer nicht in Angriff genommen habt?«
Luc wandte sich mit ruhigem Gesichtsausdruck wieder in Richtung der restlichen Abendgesellschaft. »Ihr habt gut reden.« Einen Herzschlag später fügte er dann hinzu: »In jedem Fall kann ich Euch versichern, dass ich dieses Thema vor der Hochzeit in jedem Fall nicht mehr zur Sprache bringen werde.«
»Immer noch fest entschlossen, lieber kein Risiko einzugehen?«
»Absolut.«
Devil seufzte übertrieben laut. »Aber sagt nicht, ich hätte Euch nicht gewarnt.«
»Keine Angst, das werde ich schon nicht.« Damit wandte er sich noch einmal zu Devil um. »Obwohl Ihr mir natürlich gern den einen oder anderen Hinweis geben dürft, wie ich die Sache am besten anpacken soll...«
Devil aber schnaubte nur verächtlich und klopfte Luc einmal auf die Schulter. »Ihr solltet Euer Glück besser nicht überstrapazieren.«
Luc und Devil waren auch weiterhin äußerst unterschiedlicher Meinung, was dieses besagte Thema anging. Doch andererseits verband es sie auch miteinander, sodass
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