Küsse im Morgenlicht
nochmals zahlreiche gute Ratschläge. Dann, endlich, ließen sie sie ziehen. Die kleine Gruppe schaute den beiden noch ein Weilchen nach, während Luc und Amelia, begleitet von Devil und Honoria, langsam in Richtung der Calverton’schen Reisekutsche davonschlenderten, die abfahrbereit und mit ungeduldig scharrenden Pferden bereits vor der Veranda wartete.
Das Brautpaar und die Gastgeber hatten sich mittlerweile so weit von den anderen entfernt, dass die endgültige Verabschiedung in geradezu intimer Atmosphäre stattfand. Vor der Kutsche blieben sie alle noch einen Augenblick stehen. Honoria zog Amelia mit verdächtig feucht schimmernden Augen in ihre Arme. »Es ist jetzt fast sieben Jahre her, seit ich dich das erste Mal gesehen habe. Das war genau hier auf dem Kiesweg. Und wir standen ebenfalls neben einer Kutsche.«
Liebevoll schauten sie einander an; beide konnten sich noch gut an diesen Moment erinnern. Dann lächelten sie, legten kurz die Wangen aneinander.
Leise flüsterte Honoria: »Und vergiss nicht. Was immer du auch tust - genieße es.«
Amelia musste ein Lachen unterdrücken und nickte. Sie wollte gerade in die Kutsche klettern, als Devil ihren Arm ergriff, sie ebenfalls kurz an sich drückte, auf die Wange küsste und sie dann mit Schwung in den Wagen hinaufhievte.
Dann wandte er sich zu Luc um. »Von nun an musst du für sie da sein, wenn sie aus der Kutsche stürzt.«
Luc warf Amelia einen raschen Blick zu. Die aber grinste nur und lehnte sich gegen das Rückenpolster ihres Sitzes. Im Geiste notierte Luc sich, dass er Amelia irgendwann unbedingt einmal danach fragen musste, was es mit dieser rätselhaften Ermahnung auf sich hatte. Er küsste Honoria auf die Wange und streckte Devil die Hand entgegen.
Devil erwiderte Lucs festen Händedruck. Eindringlich schauten sie einander an. »Wir sehen uns im September - in London.«
Luc nickte. »Ganz genau. Dann können wir uns über die neuesten Entwicklungen auf dem Markt austauschen und gemeinsam mit Gabriel über dessen Pläne beratschlagen.«
»Vorausgesetzt, dass bis dahin die, sagen wir, nötige Vorarbeit geleistet wurde...«
Erstaunt hob Luc die Brauen, den einen Fuß bereits auf dem Trittbrett der Kutsche. »Aber ja, natürlich. Und ich möchte wetten, wir beide - du und ich - können dann ein paar sehr interessante Erfahrungen austauschen.«
Sie waren nahezu gleich groß. Ohne mit der Wimper zu zucken erwiderte Devil Lucs mitternachtsblauen Blick. Dann neigte er den Kopf und nahm die Herausforderung an. »Du sagst es.«
Mit einem knappen Nicken kletterte Luc in den Wagen, Devil schloss die Tür.
»Auf Wiedersehen!« Honoria winkte ihnen zu.
»Und viel Glück!«, ergänzte Devil.
Endlich ließ der Kutscher kurz seine Peitsche durch die Luft schnalzen, die Pferde zogen an, und die Kutsche setzte sich in Bewegung. Allmählich schneller werdend, rollte sie die sanft geschwungene Auffahrt entlang. Seite an Seite blieben Honoria und Devil noch einen Moment stehen und schauten den beiden nach, bis die Eichenallee ihnen schließlich den Blick versperrte.
Honoria seufzte. »Nun werden wir die zwei erst einmal eine Weile lang nicht wiedersehen.« Damit wandte sie sich zu ihrem Mann um. »Und was waren das da eben eigentlich für merkwürdige Andeutungen zwischen dir und Luc? Worüber wollt ihr eure Erfahrungen austauschen?«
Devil blickte starr die Allee hinab und schwieg. Dann sah er seine Herzogin an. Seine Ehefrau. Und schaute tief in ihre von Tränen feuchten, grauen Augen - jene offenen und klaren Augen, die eines schönen Tages sein Herz, das mit den Jahren zunehmend härter geworden war, wieder zum Schmelzen gebracht hatten.
»Habe ich dir eigentlich jemals gesagt, dass ich dich liebe?«
Honoria blinzelte, dann sah sie ihn erstaunt an. »Nein. Wie du sehr wohl weißt.«
Devil spürte, wie seine Gesichtszüge sich mit einem Mal verkrampften. Schließlich erwiderte er: »Nun, und doch ist es so.«
Honoria - die Mutter seiner drei Kinder und jene eine Frau, die ihn besser kannte als irgendjemand sonst auf der Welt, sogar noch besser als seine eigene Mutter - blickte ihm aufmerksam in die Augen. Schließlich lächelte sie. »Ich weiß. Ich habe es immer gewusst.« Dann schob sie sanft ihren Arm unter dem seinen hindurch und drehte sich um. Doch sie wandte sich nicht in Richtung der Gäste, sondern ging auf den Rosengarten zu, der sich in einem Bogen um die Seite des Hauses erstreckte. »Hattest du denn gedacht, ich wüsste das
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