Küsse im Morgenlicht
einmal hatte sie ihre Aufgabe erfüllt, war das Zentrum des Geschehens gewesen. Nun durfte sie ruhen. »Es ist, als ob in den Steinen eine Art Magie wohne.«
Luc war verwundert, wie genau ihre Worte die Empfindungen wiedergaben, die auch er gestern an diesem Ort gehabt hatte. »Hat es denn nie eine unglückliche Cynster-Ehe gegeben?« Er wusste von wenigstens einer Verbindung, die nicht so verlaufen war, wie es eigentlich wünschenswert gewesen wäre.
»Nein. Zumindest nicht, was die Ehen betrifft, die zu meinen Lebzeiten hier in dieser Kirche geschlossen wurden.«
Die letzten Worte hatte die Herzoginwitwe mit besonderem Nachdruck vorgebracht, ganz so, als ob sie Luc damit warnen wollte, dass für den unwahrscheinlichen Fall, dass seine und Amelias Verbindung nicht den Erwartungen entsprechen sollte, sie der alten Dame persönlich Rechenschaft dafür ablegen müssten.
»Und die andere Ehe, an die Ihr nun wohl denken mögt, ich meine die erste Ehe von Arthur, war nicht hier besiegelt worden. Ich habe mir sagen lassen, dass Sebastian eine Heirat in der Kirche von Somersham Place deshalb nicht erlaubt hätte, weil Arthur sich weigerte, Sebastian um dessen Segen zu bitten.«
Wäre Helena damals nicht erst ein junges Mädchen gewesen, das noch in Frankreich lebte, sondern bereits die Herzogin des alten Sebastian, so wäre diese unheilvolle Verbindung wohl auch anderenorts nie erlaubt worden - dessen war Luc sich ganz sicher.
»Ihr seid...« Er bemühte sich, die richtigen Worte zu finden, und entschied sich dann für die Formulierung: »Eine Gläubige, nicht wahr?«
» Mais oui! Ich habe schon viel zu viel erlebt, habe viel zu viel gesehen, als dass ich noch den leisesten Zweifel daran haben könnte, dass diese Kraft existiert.«
Eindringlich spürte Luc den Blick aus ihren blassgrünen Augen auf sich ruhen und erahnte, dass seine Frage sie offenbar amüsierte. Doch er weigerte sich, den Blick der Herzoginwitwe zu erwidern.
»Ah«, fuhr sie dann fort und bewunderte die Landschaft. »Ihr wollt also noch nicht so recht daran glauben - ist es das?«
Wie immer, wenn man sich mit der alten Dame unterhielt, gelangte man an einen gewissen Punkt, an dem man sich fragte, wie man überhaupt dorthin gekommen war. Luc erwiderte nichts, reagierte in keiner Weise auf ihre Feststellung.
Die Herzoginwitwe lächelte abermals und tätschelte wieder seine Hand. »Aber macht Euch darum mal keine Gedanken. Merkt Euch einfach nur eines. Was auch immer es da noch an ungeklärten Dingen zwischen Euch beiden geben mag - die göttliche Kraft ist immer da. Ihr könnt sie jederzeit zu Euch rufen, und sie wird für Euch da sein. Egal, wie groß das Problem, um das es geht, auch zu sein scheint. Bittet einfach um Hilfe, und die Kraft wird Euch helfen. Sie wird das Falsche richten und den Weg ebnen. Alles, was Ihr braucht, wird Euch gegeben.«
Abermals hielt sie einen Moment inne und fuhr dann in unbeirrt amüsiertem Tonfall fort: »Natürlich muss man, ehe man sich mit Erfolg an diese Kraft wenden kann, erst einmal anerkennen, dass sie überhaupt existiert.«
»Ich wusste doch, dass die Sache einen Haken hat.«
Helena lachte herzlich und dirigierte Luc wieder zurück in Richtung der Tische. » Eh, bien. Ihr werdet es schon schaffen. Ich weiß es. Vertraut mir.«
Luc hob flüchtig die Brauen, doch er widersprach ihr nicht.
Nichtsdestotrotz fragte er sich im Stillen, ob sie womöglich Recht haben könnte.
Schließlich - endlich - war es Zeit für Luc und Amelia aufzubrechen. Der Nachmittag ging bereits in den frühen Abend über. Amelia verschwand kurz im Haus, schlüpfte in ihr neues himmelblaues Reisekostüm und kehrte dann zu den Gästen zurück. Und an Lucs Seite.
Dann warf sie den Brautstrauß und löste damit für einen Augenblick wildes Durcheinander aus, denn ihr Wurf landete zunächst in einem Busch, kullerte dann langsam hinab und landete schließlich genau auf Magnus’ Kopf. Herzliches Gelächter erschallte sowie eine Reihe nicht ganz anständiger Scherze. Nachdem die jüngeren Mitglieder der Hochzeitsgesellschaft sich mit engen Umarmungen und den besten Wünschen von Luc und Amelia verabschiedet hatten, schlenderten sie langsam zum See hinunter. Die älteren Gäste blieben auf ihren Stühlen unter den Bäumen. Und die Cynster-Gentlemen mitsamt ihren Frauen, Amanda und Martin, versammelten sich noch einmal um das junge Paar, küssten Amelia, schüttelten Luc abermals die Hand - und erteilten sowohl ihm als auch ihr
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