Küsse im Morgenlicht
waren.«
Michael grinste. »In eurem Alter sind sechs Jahre eine lange Zeit. Ihr seid beide zu wunderschönen jungen Frauen aufgeblüht, und nun steht die nächste Etappe in eurem Leben für euch an. Amanda lebt in der Grafschaft Peak, und du ziehst, soweit ich gehört habe, nach Rutlandshire?«
»Ja. Nach Calverton Chase, um genau zu sein. Wir wohnen also nicht allzu weit von hier.«
»Dann wirst du bald deinen eigenen Haushalt führen müssen. Und ich glaube, Minerva ist mehr als bereit, die Zügel endlich abzugeben.«
Amelia nahm Michaels Bemerkung mit einem freundlichen Lächeln entgegen. Ihre Gedanken wanderten aber schon wieder weiter, sie dachte an die Zukunft und an all das, was nun wohl noch vor ihr liegen mochte. Welche Entwicklung diese neue Phase ihres Lebens nun wohl nehmen würde? »Ich vermute, ich werde erst einmal eine ganze Menge zu tun haben.«
»Zweifellos. Und ich bin mir sicher, du wirst das alles ganz wunderbar machen. Aber jetzt, fürchte ich, werde ich deine herrliche Hochzeit verlassen müssen. Es gibt noch so eine Angelegenheit in Hampshire, die dringend geklärt werden muss. Und dazu muss ich dort persönlich anwesend sein.«
»Hat es etwas mit deinem Wahlkreis zu tun?«
Erstaunt hob Michael die Brauen. »Ja, in der Tat. Man könnte es so ausdrücken.«
Damit verbeugte er sich, trat mit seinem gelassenen und wohl eingeübten Lächeln einen Schritt von ihr fort, grüßte nochmals und schlenderte schließlich über den Rasen davon. Amelia sah, wie Devil hinter Michael hereilte, um noch kurz etwas mit ihm zu besprechen. Der entspannten Miene nach zu urteilen, mit der Magnus die Verabschiedung seines Enkels verfolgte, hatte Michael seinem Großvater und Patron offenbar bereits auf Wiedersehen gesagt.
Amelia ließ den Blick über die Hochzeitsgesellschaft schweifen, nahm tief den erfrischenden Anblick der farbenfrohen Kleidung in sich auf, die aus den Schatten hervorleuchtete, lauschte dem Gelächter, und dann sah sie Luc. Er stand bei seinen Schwestern - Anne, Portia und Penelope. Und natürlich war auch Fiona geladen, sozusagen als besonderer Gast, der nicht zur Familie gehörte. Mit einigen anderen Gästen im gleichen Alter, unter ihnen auch Amelias jüngere Cousinen Heather, Eliza und Angelica, hatten sie sich am Ende des langen Tisches zusammengesetzt. Ganz außen saß Simon und tauschte ein paar lässige Kommentare mit Luc aus, der herzhaft lachte, Amelias Bruder auf die Schulter klopfte und die Gruppe dann verließ.
Er schlenderte gerade den großen Tisch entlang, als er seinen Namen hörte. Der Tonfall, mit dem er gerufen wurde, war so hoheitsvoll, dass Luc ihn sofort wiedererkannte und auf keinen Fall ignorieren konnte. Er schaute über die Köpfe der Versammlung hinweg, sah, wie die Herzoginwitwe ihn bereits mit scharfem Blick beobachtete, und marschierte auf sie zu.
»Kommt.« Sie winkte ihn zu sich heran. »Gebt mir Euren Arm, und dann erzählt Ihr mir, wie glücklich Ihr seid, dass Ihr meine Nichte heiraten durftet. Und verratet mir, was Ihr alles unternehmen werdet, damit sie so glücklich bleibt, wie sie jetzt ist.«
Mit einem charmanten Lächeln und zugleich in äußerster Alarmbereitschaft half Luc Helena, sich von ihrem Stuhl zu erheben. Dann reichte er ihr gehorsam den Arm. Und als ob sie dies abgesprochen hätten, entfernten sie sich langsamen Schrittes von der Schar der Gäste hinein in die vergleichsweise abgeschiedene Atmosphäre unter den Bäumen.
»Amelia wird Euch sehr glücklich machen. Vergesst das nicht.«
Die forsche Bemerkung der alten Dame überraschte ihn. Er schaute Helena an und fühlte sich sofort regelrecht gefangen von dem Blick aus ihren blassgrünen Augen - Augen, die, das wusste er bereits aus leidvoller Erfahrung, stets ein wenig mehr sahen, als sie eigentlich sollten. In dieser Beziehung war sie noch schlimmer als seine Mutter. Die Herzoginwitwe von St. Ives bekam so gut wie alles mit.
Doch erstaunlicherweise lächelte sie, tätschelte kurz seine Hand und wandte den Blick dann wieder nach vorn. »Wenn man schon auf so vielen Hochzeiten geladen war wie ich, dann weiß man so etwas einfach irgendwann.«
»Wie… beruhigend.« Luc fragte sich, warum sie ihm dies eigentlich erzählte. Und er überlegte, was sie wohl noch alles wissen mochte.
»Ja, beruhigend, in der Tat, das ist es. Genauso wie dieser Ort hier.« Damit deutete sie auf die Kirche. Still und friedlich lag sie da und wurde vom Sonnenschein regelrecht überströmt. Wieder
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