Küsse im Morgenlicht
nicht?«
Devil dachte einen Moment lang nach und ließ sich von seiner Frau gedankenverloren auf die Rosen zudirigieren. »Ich schätze, ich bin immer davon ausgegangen, dass du es irgendwie schon wissen würdest.«
»Und warum dann dieses plötzliche Geständnis?«
Diese Frage hingegen war schon wesentlich schwerer zu beantworten. Sie schlenderten hinab zu dem etwas tiefer gelegenen Blumengarten, schritten langsam zwischen den in voller Blüte stehenden Rosen hindurch und bis zu der kleinen Bank am Ende der Ziergartenanlage. Honoria drängte ihn nicht zu einer Antwort. Sie schwieg einfach. Dann setzten sie sich und blickten zurück auf das Haus - ihr Zuhause -, in dem noch immer die vielen, schönen Erlebnisse aus der Vergangenheit nachzuhallen schienen, in dem das Lachen und die fröhlichen Rufe ihrer Kinder erschallten und in dem leise bereits die Zukunft heraufzog.
»Sieh es als eine Art Einschnitt, als den Eintritt in eine neue Lebensphase«, antwortete Devil schließlich. »Ein Einschnitt, der ganz für sich allein steht. Zumindest empfinde ich das so... und einige andere.«
»Wie zum Beispiel Luc?«
Devil nickte. »Für uns ist es leichter, die Tatsachen einfach anzunehmen und zu leben, statt sie auch noch in Worte fassen zu müssen. Wir wissen, wie es um unser Herz bestellt ist, und wollen es doch nicht so gerne aussprechen. Oder, um es ganz kurz zu fassen - wir wollen unsere Liebe nicht so gerne eingestehen und handeln doch stets als liebender Mann.«
Den Blick fest auf ihr gemeinsames Haus gerichtet, versuchte Honoria, seinen Worten zu folgen, versuchte, seine Beweggründe zu verstehen. »Aber... warum? Sicherlich, zu Anfang will man seine Gefühle dem anderen noch nicht so deutlich zeigen. Das kann ich verstehen. Aber wie du ja eben selbst gesagt hast - mit der Zeit sprechen doch eher Taten. Und Worte sind dann nicht mehr so wichtig. Warum also nicht einfach -«
»Nein.« Devil schüttelte den Kopf. »Genau diese Worte verlieren nie an Bedeutung. Und es wird auch nie leichter, sie auszusprechen.« Er schaute Honoria an. »Sie verlieren nie ihre Macht.«
Honoria erwiderte seinen festen Blick, und auf einmal konnte sie es spüren. Und langsam schien sie zu begreifen. Abermals wurden ihre Augen feucht, und sie nickte. »Ah - jetzt verstehe ich es. Es geht also um die Macht, die mit diesen Worten verbunden ist. Und darum ist es für dich, wenn du diese gewisse Tatsache in Worte kleidest, als ob -«
»Seien wir doch direkt: Wenn ich laut sage, dass ich dich liebe.«
»Wenn du diese Worte also laut aussprichst, und die Tatsache damit noch einmal in aller Offenheit anerkennst, dann ist es für dich, als ob...« Honoria fuhr mit den Händen durch die Luft, wusste genau, was sie sagen wollte, konnte es nur noch nicht so recht formulieren.
Devil hingegen wusste, wie er die Wahrheit formulieren konnte, und tat es auch: »Es ist, als ob man jemandem die Lehnstreue schwört. Man zeigt nicht mehr bloß durch seine Taten, dass man die Herrschaft seiner Frau über das eigene Herz akzeptiert, sondern man bietet ihr sozusagen auch noch sein Schwert. Man legt damit die Macht über einen selbst in die Hände eines anderen - in die Hände seiner Frau. Es ist die offizielle Anerkennung, dass fortan sie dein Herz und dein Handeln bestimmt.« Honoria erwiderte seinen Blick. »Männer wie ich, wie Luc, wurden darauf gedrillt, niemals und unter keinen Umständen diesen einen, letzten und auf ewig bindenden Schwur auszusprechen. Oder zumindest nicht eher, als bis wir dazu gezwungen werden. Denn diesen Schwur freiwillig und von ganz allein auszusprechen, geht gegen so ziemlich alles, was uns jemals anerzogen wurde, gegen alles, was wir im Laufe unseres Lebens verinnerlicht haben.«
»Du meinst also, dass du - und Luc - in dieser Hinsicht noch ein wenig... mehr Mann seid als die meisten anderen?«
Devil kniff die Augen zusammen. »Vielleicht sollte man eher sagen, dass wir in unseren Verhaltensweisen weniger flexibel sind als die meisten anderen. Denn wir sind beide die Oberhäupter unserer Häuser. Wir beide wurden dazu erzogen, die unsrigen zu schützen. Und wir beide sind mit dem Wissen aufgewachsen, dass von unserer gewissenhaften Pflichterfüllung auch das Wohlergehen anderer abhängt.«
Honoria dachte nach, dann neigte sie den Kopf. Schließlich lächelte sie, schmiegte sich an Devil und war nicht im mindesten überrascht, als er sofort die Arme um sie schloss. Sie zog seinen Kopf zu sich herab und murmelte:
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