Küsse im Morgenlicht
beide wiederum habt nicht nur auf Somersham, also außerhalb Londons, geheiratet, sondern ihr habt euch auch noch unmittelbar nach den Feierlichkeiten hierher nach Calverton Chase verabschiedet. Unsere verehrten Gastgeberinnen werden also geradezu darauf lauern, euch endlich in ihren Ballsälen zu sehen.«
Luc verzog das Gesicht zu einer gequälten Grimasse. Amelia aber lächelte versonnen.
Miss Pink, die sich zwischenzeitlich wieder von den Strapazen der Reise erholt zu haben schien, stand auf und entschuldigte sich mit leiser Stimme. Auch Emily und Anne hatten ihren Tee beendet und beschlossen, sich auf ihre Zimmer zurückzuziehen.
»Ich habe das Abendessen für sechs Uhr bestellt«, erklärte Amelia, als die beiden Mädchen höflich vor ihr knicksten.
»Oh, das ist gut!«, rief Emily aus. »Das heißt, falls wir bis dahin noch nicht verhungert sind.«
Anne lächelte freundlich. »Es ist so schön, wieder zu Hause zu sein.«
Kaum dass die beiden den Salon verlassen hatten, schaute Minerva Luc an. »Wahrscheinlich erhältst du bald einen Brief von Lord Kirkpatrick. Meiner Meinung nach dürfte der sogar noch binnen dieser Woche bei dir eintreffen.«
Luc hob die Brauen. »Dann meint er es also tatsächlich ernst?«
Über Minervas Lippen huschte ein verschmitztes Lächeln. »Er ist richtiggehend ungeduldig, mein Lieber. Und ich dachte, das würde bei dir durchaus auf Verständnis stoßen.«
Luc ließ diese Bemerkung wohlweislich unerwidert.
Dann, in etwas ernsterem Tonfall, fügte seine Mutter hinzu: »Ich denke, eine Einladung nach Calverton Chase wäre nun der angemessene Schritt. Aber ich wollte noch nichts in der Art sagen, ehe ich mich mit euch besprochen habe.«
Damit schweifte ihr Blick zu Amelia hinüber. Es dauerte einen kurzen Moment, bis diese den fragenden Ausdruck in Minervas Augen richtig deutete. Beschwichtigend hob sie die Hand. »Aber natürlich.« Dann schaute sie Luc an. »Vielleicht so gegen Ende Juli oder Anfang August?«
Er erwiderte ihren Blick. »Du entscheidest. Bis Ende September bleiben wir ja ohnehin noch hier auf dem Land.«
Damit wandte Amelia sich wieder zu ihrer Schwiegermutter um.
Minerva sank entspannt in ihren Sessel zurück. »Das genaue Datum können wir ja noch festlegen, wenn Lord Kirkpatricks Brief hier angekommen ist. Und ich bin mir sehr sicher, dass er schreiben wird.« Sie hob die Lippen zu einem kleinen Lächeln. »Dann ist Emily nun also auch schon so gut wie vergeben.« Minerva sah erst Luc an, schließlich Amelia, und ihr Lächeln wurde noch eine Spur herzlicher. »Ich werde euch jetzt nicht danach fragen, wie ihr in der Zwischenzeit miteinander ausgekommen seid. Ich bin überzeugt, ihr habt euch eingerichtet und ohne größere Schwierigkeiten euren Platz in diesem Haushalt gefunden. Ist es eigentlich sehr warm gewesen hier oben?«
Sofort tauchten in Amelias Hinterkopf wieder die Erinnerungen an jenen langen heißen Nachmittag auf, als sie und Luc sich auf ihrem Bett gewälzt hatten. Sie verfluchte ihr gutes Gedächtnis und betete, dass ihr nun nicht die Röte der Verlegenheit in die Wangen stieg. »Es gab ein oder zwei Tage, an denen es hier schon sehr heiß war.« Sie vermied jeden Blick in Lucs Richtung.
Minerva erhob sich. »Mittlerweile dürfte sich das Durcheinander da oben ja wohl wieder etwas gelegt haben. Zeit für mich, ein Stündchen zu schlummern. Oder vielleicht auch etwas länger... Abendessen um sechs Uhr, hast du gesagt?«
Amelia neigte zustimmend den Kopf.
Minerva nickte ihnen beiden daraufhin kurz zu. »Dann sehe ich euch nachher im Salon.«
Mit wiegenden Schritten ging sie auf die Tür zu, hielt dann aber plötzlich inne und wandte sich mit einem Stirnrunzeln noch einmal zu ihnen um: »Ach, übrigens, da wir gerade unter uns sind...« Sie warf einen raschen Blick in Richtung der Tür. Dann fuhr sie in ernstem Ton fort: »Als ich beim Packen war, musste ich feststellen, dass ich zwei Dinge vermisse. Eine Grisaille-Schnupftabakdose - du kennst sie, Luc, die mit dem feinen, grünbraunen Bildchen darauf - und einen Parfumflakon. Der Hals des Flakons war von einer goldenen Manschette umschlossen. Das sind zwar beides nur Kleinigkeiten, aber sie waren schon recht alt und ziemlich wertvoll.« Minerva sah ihren Sohn an. »Sie standen beide in meinem Privatsalon. Und, ja, sie sind beide definitiv verschwunden und nicht bloß irgendwo verlegt worden. Fällt dir dazu irgendetwas ein?«
Luc runzelte die Stirn. »Wir haben keinerlei neue
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