Küsse im Morgenlicht
Bedienstete.«
»Richtig. Ich habe zwar auch zuerst an die Angestellten gedacht... aber alle, die heute in unseren Diensten stehen, arbeiten schon seit Jahren bei uns im Haus. Wir haben ja im Grunde schon immer zu wenig Personal gehabt. Ich kann mir also wirklich nicht vorstellen, dass der Dieb irgendeiner von unseren Bediensteten sein soll.«
Luc nickte. »Ich werde mich mal mit Cottsloe und Mrs. Higgs besprechen. Es kann gut sein, dass wir jemanden da hatten, der die Schornsteine gefegt hat oder irgendetwas dergleichen.«
Minervas Gesicht hellte sich wieder auf. »Aber natürlich. Du hast Recht. Das wird bestimmt der Grund sein. Obwohl es natürlich trotzdem traurig ist, wenn man solche Dinge immer gleich wegschließen muss, kaum dass irgendein Fremder das Haus betritt.«
»Ich werde mich darum kümmern«, beruhigte Luc sie.
Minerva nickte. Dann ließ sie ihren Sohn und dessen junge Ehefrau allein und ging hinaus.
Amelia stellte ihre leere Tasse ab und erhob sich. Sowohl sie also auch Luc blieben stehen und schauten seiner Mutter nach, bis diese durch die offene Salontür verschwunden war.
Dann sahen sie einander an. Ihre Blicke begegneten sich, hielten einander regelrecht fest. Sie standen weniger als einen halben Meter voneinander entfernt. Luc streckte die Hand aus, strich zart über Amelias Handgelenk und verschränkte seine Finger mit den ihren.
Als er so dicht vor ihr stand, sein Gesicht der tief am Himmel stehenden Sonne zugewandt, erkannte Amelia plötzlich das sinnliche Verlangen, das aus seinen dunklen Augen leuchtete. Dieser gewisse Ausdruck war ganz einfach nicht misszuverstehen, zumal Luc diesmal nicht die geringste Anstrengung unternahm, sein Verlangen nach ihr zu verbergen.
Amelia spürte sein immer stärker werdendes Bedürfnis nach einem Kuss von ihr. Er wollte sie berühren, wollte sie in seine Arme schließen. Wie eine glutheiße Woge ergoss sich sein Verlangen über sie, erregte sie und zog sie zu ihm hin. Die leidenschaftliche Begierde schien regelrecht zwischen ihnen zu pulsieren - bis Luc seinen Drang abermals rigoros unterdrückte. Ganz deutlich fühlte Amelia, wie die Spannung wieder nachließ.
Noch immer sah er ihr tief in die Augen, dann hob er schweigend ihre Hand und drückte einen flüchtigen Kuss auf ihre Fingerknöchel. »Besser, ich mache mich jetzt mal auf den Weg und sehe nach, was sich gerade in den Hundezwingern abspielt. Portia und Penelope sind beide ziemlich eigensinnig - wahrscheinlich gibt es längst schon wieder einen Streit darüber, wer welchen Hund in den Arm nehmen darf. Sie können dann richtig zänkisch werden. Und außerdem wartet auf mich im Arbeitszimmer natürlich auch noch ein ganzer Berg Arbeit.«
Mit einem gelassenen Lächeln hörte Amelia ihm zu. Dann aber, als Luc ihre Hand losließ, schob sie rasch den Arm unter dem seinen hindurch, wandte sich ebenfalls zu den Flügeltüren um und erwiderte: »Zu den Hundezwingern möchte ich dich gerne begleiten. Ich muss doch dafür sorgen, dass deine Schwestern Galahad nicht allzu sehr verwöhnen.«
Als sie auf die Terrasse hinaustraten, fügte sie leise hinzu: »Lass uns durch die Ziergärten gehen.«
Das war zwar ein gewisser Umweg, wenn man zu den Hunden wollte, und Luc zögerte zunächst einen kleinen Augenblick. Dann aber fügte er sich ihrem Wunsch.
Amelia ließ sich von ihm in die kleinen Gärten hinter der hohen Hecke führen. Entspannt schlenderten sie an dem Springbrunnen vorbei und auf den kleinen, künstlichen See zu, der hell und klar im Licht der späten Nachmittagssonne glitzerte. Eilig jagten die Fische durch das Wasser, ihre Schuppen glitzerten, und fast schienen silbrige Funken aus dem Wasser aufzuspringen.
Und dann konnte Amelia Luc doch tatsächlich noch dazu verlocken, sie wenigstens für einen kurzen Moment einmal in die Arme zu schließen und sie zu küssen. So viel Privatsphäre ließ sich schließlich trotz allem noch in Lucs engen Zeitplan einfügen. Trotz des drohenden Streits zwischen seinen Schwestern und auch trotz der auf ihn wartenden Arbeit. Es brauchte eben einfach nur ein wenig Entschlossenheit von Amelias Seite aus.
An diesem Abend wurde ihr dann zum ersten Mal richtig bewusst, welche Herkulesaufgabe Luc in seiner Familie eigentlich zu bewältigen hatte.
Amelia saß ganz am Ende des langen Tisches - mittlerweile fühlte sie sich dort durchaus wohl und geborgen - und beobachtete, lernte und musste sich so manches Mal beherrschen, um eine unbeteiligte Miene
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