Küsse im Morgenlicht
leichtesten nachvollziehen konnte - obwohl sie ihn andererseits auch in Atem hielt. Nun hielt sie endlich in ihrer Wanderung durch den Salon inne und trat mit einer letzten, schwungvollen Drehung auf ihren Bruder zu. Mit ihrem dunklen Haar und den tiefblauen Augen sah sie Luc sehr ähnlich; seine anderen Schwestern glichen ihm weniger. Außerdem hatte Portia die hochgewachsene Gestalt der Familie ihrer Mutter geerbt. Sie war größer als Emily, Anne oder Penelope. »Ich gehe jetzt raus und sehe mal nach den Welpen. Die müssen in den vergangenen beiden Wochen doch enorm gewachsen sein.«
Damit knickste sie leicht und eilte auf die Flügeltüren zu, durch die man auf die Terrasse gelangte.
Im Stillen verzog Luc das Gesicht zu einer Grimasse, fühlte sich dann aber doch verpflichtet, seine Schwester zu warnen: »Der größte von den Rüden ist bereits vergeben. Verguck dich also besser nicht in ihn.«
Portia blieb stehen, sah zu ihm zurück und hob die Brauen. »Ich fand von Anfang an, dass er das Zeug zu einem neuen Champion hat. Dann hast du ihn wahrscheinlich für dich selbst reserviert, wie?«
»Nein.« Damit deutete Luc mit einem knappen Nicken zu Amelia hinüber. »Ich habe ihn Amelia geschenkt.«
»Oh!« Ehrlich begeistert lächelte Portia ihre Schwägerin an. Was den Namen des Tieres anging, so schien Lucs Schwester offenbar bereits so eine gewisse Ahnung zu haben und fragte dann auch prompt mit strahlendem Gesichtsausdruck: »Und, wie hast du ihn genannt?«
Luc schloss für einen kurzen Moment die Augen und stieß in Gedanken einen gequälten Seufzer aus.
»Er scheint mir sehr neugierig zu sein, immer auf der Suche nach irgendetwas«, erklärte Amelia und erwiderte Portias Lächeln. »Also habe ich ihn auf den Namen Galahad von Calverton Chase getauft.«
»Galahad!« Portia packte die Lehne des kleinen Stuhls neben den Flügeltüren. Sie schien hocherfreut. »Und Luc hat zugestimmt?«
Amelia zuckte mit den Achseln. »Der Name war ja schließlich noch nicht vergeben.«
Portia sah ihren Bruder an. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, arbeitete es in ihrem Kopf gerade eifrig, und sie schien bereits schon wieder ihre ganz eigenen Rückschlüsse zu ziehen. Rückschlüsse, die Luc lieber nicht von ihren Augen ablesen wollte. Prompt kniff sie die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, und allerlei vorwitzige Mutmaßungen funkelten in ihrem Blick. Dann aber rief sie lediglich: »Famos! Wie gesagt, ich muss sofort runter zum Stall. Will mir das Wunder doch mal aus der Nähe ansehen.«
Energischen Schrittes verschwand sie durch die Verandatüren.
Penelope setzte vorsichtig ihre Tasse ab und nahm sich zwei Plätzchen. »Wurde aber auch Zeit, mein lieber Bruder. Warte auf mich, Portia! Ich will ihn auch sehen.«
Mit einem flüchtigen Nicken in Richtung von Amelia und ihrer Mutter eilte Penelope hinter Portia her.
Die hektische, energiegeladene Stimmung im Salon wich einer etwas entspannteren Atmosphäre. Ein feines Lächeln breitete sich über die Gesichter aller Anwesenden, und jeder schien leise auszuatmen. Luc hoffte, dass zumindest Amelia glaubte, Portias bewundernder Ausruf hätte sich lediglich auf den Namen des Hundes bezogen. Im Grunde aber war er sich fast sicher, dass seine beunruhigend intelligente kleine Schwester damit etwas wesentlich Intimeres angedeutet hatte.
Minerva stellte ihre Tasse ab. »Abgesehen von Astley’s und den Museen gab es aber auch noch ein paar andere, recht interessante Ereignisse in der vergangenen Woche.« Gemeinsam mit Emily und Anne berichtete sie Luc und Amelia von den neuesten Vorkommnissen in der Londoner Gesellschaft und gab damit auch die Glückwünsche einiger der wichtigsten Gastgeberinnen der Stadt weiter. »Wenn ihr später im Jahr wieder nach London zurückkehrt, dann werdet ihr mit Einladungen geradezu überhäuft werden. Darauf könnt ihr euch jetzt schon einmal einstellen. Das Gleiche gilt im Übrigen natürlich auch für Amanda und Dexter.«
»Vielleicht haben wir ja Glück, und es hat sich bis dahin mal wieder irgendein Skandal ereignet. Hoffentlich, denn sonst stürzt sich die gesamte bessere Gesellschaft allein auf uns vier...« Mit unbehaglichem Gesichtsausdruck zog Luc eine seiner Manschetten zurecht.
Minerva warf ihm einen zynischen Blick zu. »Auf einen Skandal oder sonst irgendeine Ablenkung würde ich an deiner Stelle nicht hoffen. Du musst bedenken, dass Martin und Amanda sich gleich nach der Hochzeit in den Norden verzogen haben. Und ihr
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