Küsse im Morgenlicht
Portia und Penelope ihr Schulzimmer verlassen hatten, fast ständig in der Gesellschaft der beiden Jüngsten aus dem Clan der Ashfords. Noch während Luc diese Beobachtung so richtig bewusst wurde, glaubte er auch schon zu wissen, was der Grund hinter Simons Verhalten war.
Doch Luc war Simon für dessen wachsame Gegenwart überaus dankbar. Schließlich bestand der berechtigte Verdacht, dass sich ein Schurke in ihrer unmittelbaren Nähe aufhielt. Ein Schurke, der seiner, Lucs, Familie Böses wollte. Und als ob das nicht bereits genug gewesen wäre, hatte es der Kerl offenbar auch noch ganz gezielt darauf abgesehen, den Ruf der vier Ashfordschwestern zu schädigen. Zu allem Überfluss hatten Portia und Penelope auch noch die beklagenswerte Neigung, fast ihre gesamte freie Zeit draußen in der Natur zu verbringen, wo sie sich natürlich nur noch weiteren Gefahren aussetzten. Sie waren kaum mehr eine Handbreit davon entfernt, echte Wildfänge zu werden …
Während Luc also das Trio auf dem Rasen beobachtete, wurde ihm wieder einmal in aller Deutlichkeit bewusst, dass Portia seine besorgte Haltung ganz offensichtlich nicht teilte. Selbst von seinem Arbeitszimmer aus konnte er die hochmütige Geste erkennen, mit der sie die Nase in die Luft reckte und Simon gerade irgendeine bissige Bemerkung entgegenschleuderte - so bissig, dass selbst der wohlwollende Simon ihr daraufhin einen stechenden Blick zuwarf.
Penelope dagegen schien die beiden überhaupt nicht wahrzunehmen, obwohl diese sich geradewegs über ihren Kopf hinweg ein kleines Streitgespräch zu liefern schienen. Luc machte sich im Geiste eine kleine Notiz, dass er Simon unbedingt einmal klarmachen musste, Streitereien mit den beiden jüngsten Ashfordmädchen besser zu vermeiden. Damit wandte Luc sich wieder um und schlenderte zu seinem Lehnsessel und den Unterlagen hinüber, die er noch würde durcharbeiten müssen.
Er, Martin und Lucifer hatten allesamt Zuflucht in Lucs Arbeitszimmer gesucht, da vor den Türen des Büros das reinste Chaos - und natürlich ihre Ehefrauen - herrschten. Man war sich also, ohne dies in Worte gefasst zu haben, einig, dass man sich für die nächsten Tage am besten aus deren Wirkungsbereich fernhielt.
Auf Devils Vorschlag hin hatte Lucifer darum gebeten, sich einen allgemeinen Überblick über Lucs aktuelle Anlagestrategien machen zu dürfen. Woraufhin schließlich auch Martin hellhörig geworden war und gerne an der Begutachtung teilnehmen wollte. Im Augenblick saßen also sowohl Martin als auch Lucifer mit höchst konzentrierten Mienen über den Berichten, die Luc für seine letzten drei Investitionen herangezogen hatte. Doch obwohl Lucs Projekte gegenwärtig allesamt äußerst vielversprechend verliefen und er davon ausgehen durfte, dass diese sein Vermögen schon bald noch um einen beträchtlichen Teil mehren würden, so beruhten alle drei Anlagestrategien doch trotz aller gewissenhaften Vorbereitungen letztendlich nur auf Spekulationen.
Mit einem zufriedenen Lächeln ließ Luc den Blick über Martins und Lucifers tief über die Papiere geneigte Köpfe schweifen. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit jenem neuen Vorhaben zu, das womöglich das nächste seiner Projekte würde.
Später am Abend - er wusste selbst nicht, wie es dazu kommen konnte, und fühlte sich von Helena regelrecht überrumpelt - schlenderte er mit der Herzoginwitwe an seinem Arm durch die Gartenanlagen. Doch es war ein angenehmer Spaziergang, und Luc ließ die Gedanken schweifen. Plötzlich aber dirigierte Helena ihn mit gewohnt hoheitsvoller Geste in Richtung der Ziergärten. Sofort schrillten in Lucs Hinterkopf sämtliche Alarmglocken, aber er fügte sich ihrem Wunsch. Die im Westen hinter dem Horizont versinkende Sonne zauberte noch einige letzte, goldene Funken auf die obersten Blätter der hohen Hecken, und Luc führte seine Begleiterin zuerst durch das eine Zierrondell, dann durch das nächste und schließlich auf den rechteckigen kleinen Teich zu, der ruhig und silbrig schimmernd in der sich herabsenkenden Dämmerung lag.
Helena deutete auf die schmiedeeiserne Bank unmittelbar vor der künstlich angelegten Wasserstelle. Luc folgte ihrem Wunsch, geleitete sie auf den kleinen Ruheplatz zu und blieb zögernd neben ihr stehen, während sie sich setzte. Auf eine knappe Geste von ihr hin ließ er sich neben ihr nieder, richtete den Blick aber starr auf den Teich und wartete ganz bewusst und ohne jede Regung auf das, was sie ihm zweifellos schon bald
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