Küsse im Morgenlicht
verließ.
Doch ein solch wichtiges Geständnis zwischen Tür und Angel zu machen, während am besten auch noch Familie und Dienerschaft nur darauf lauerten, sie beide wieder mit Beschlag zu belegen, kam für Luc nicht in Frage. Nein, das war einfach unmöglich, denn dazu schätzte und achtete er Amelia und das zarte Geflecht der echten Liebe, das sich zwischen ihnen beiden gesponnen hatte, viel zu sehr.
Er wollte also, dass sie ihm zumindest ihre uneingeschränkte Aufmerksamkeit schenkte und sich auch später noch daran erinnerte, wenn er zu dem letzten und endgültigen Akt der Hingabe bereit war und ihr sein Geständnis machte.
Die Ungeduld zerrte hartnäckig an seinen Nerven. Er starrte aus dem Fenster und auf das Tal hinaus, die Zähne fest zusammengebissen.
Sobald sie den Schurken gefasst hätten, würde er, Luc, darauf bestehen, dass Amelia sich endlich wieder allein auf ihn konzentrierte.
Und dann würde er ihr die Wahrheit sagen. Die schlichte Wahrheit.
Drei kleine Worte nur.
Ich liebe dich.
21
»Wenn ich dir vielleicht einen kleinen Rat erteilen dürfte, ma petite … «
Amelia blickte von den Listen auf, die kreuz und quer über ihren Schreibtisch verstreut lagen. Helena stand in der Tür und sah sie liebevoll lächelnd an.
Rasch versuchte Amelia, wieder Ordnung in das Durcheinander ihrer Listen zu bringen. »Wegen welcher...?«
»Ah, nein. Mein Rat bezieht sich nicht auf eines unserer Arrangements« - Helena tat die Listen mit einer kurzen Handbewegung ab - »sondern auf ein Thema, das dir sicherlich noch wesentlich mehr am Herzen liegt.«
»Ach ja?« Amelia schaute sie erstaunt an.
Helena nickte nachdrücklich. »Ja. Es geht um Luc. Ich glaube, er möchte dir etwas sagen, aber … nun ja, manchmal, unter gewissen Umständen, leiden selbst Männer wie er unter Unsicherheit. Mein Rat an dich lautet also, dass in diesem Fall ein klein wenig Ermutigung gewiss nicht unangebracht wäre, und dass du damit mehr gewinnen könntest, als du glaubst.«
Amelia blinzelte verwirrt. »Ermutigung?«
»Oui.« Helena gestikulierte lebhaft und unterstrich damit nach französischer Manier ihre Worte. »Und zwar die Art von Ermutigung, die am ehesten dazu angetan ist, den unvernünftigen Widerstand eines Ehemannes zu schwächen.« Ihr wundervolles Lächeln erschien, und sie zwinkerte Amelia kurz zu, bevor sie sich wieder zum Gehen wandte. »Ich bin sicher, die Einzelheiten kann ich getrost dir überlassen.«
Ihre Listen waren schlagartig vergessen; Amelia starrte gedankenverloren auf die leeren Türöffnung. Nun, da Helena es erwähnt hatte, fiel ihr wieder ein, dass Luc in den vergangenen Tagen in der Tat auch auf sie den Eindruck gemacht hatte, als ob er … etwas auf dem Herzen hätte. Sie waren jedoch beide so damit beschäftigt gewesen, sich um ihren Besuch zu kümmern und Pläne zur Ergreifung des Diebes zu schmieden, dass sie ihr Privatleben - das, was zwischen ihnen war - notgedrungen erst einmal hatten zurückstellen müssen, sozusagen vorübergehend auf Eis legen, während sie sich darauf konzentrierten, die ihrer Familie drohende Gefahr abzuwenden.
Und doch...
Eine plötzliche Ungeduld befiel sie. Amelia schob ihre Listen zu einem Stapel zusammen, schloss den Schreibtisch, erhob sich und eilte entschlossenen Schrittes Richtung Treppe.
Als Luc an jenem Abend ihr gemeinsames Schlafzimmer betrat, stellte er fest, dass Amelia nicht wie gewöhnlich bereits im Bett lag, sondern am Fenster stand und auf die in gleißendes Mondlicht getauchten Rasenflächen hinausschaute. Die Kerzen im Raum hatte sie bereits gelöscht. Eingehüllt in ihren langen Morgenrock aus aprikosenfarbener Seide stand sie vollkommen reglos da und hing ihren Gedanken nach.
Offensichtlich hatte sie nicht gehört, dass Luc ins Zimmer gekommen war. Dieser nutzte also den unbeobachteten Moment, um Amelia zu betrachten, um sich zu fragen, was ihr wohl gerade durch den Kopf gehen mochte. Den ganzen Abend über hatte er sie immer wieder dabei ertappt, wie sie ihn prüfend ansah, ganz so, als ob sie versuchte, seine Gedanken zu lesen. Er nahm an, dass sie innerlich angespannt war, dass sie mit zunehmend stärker werdender Nervosität und Aufregung zu kämpfen hatte, so wie sie alle. Morgen um diese Zeit würden sie nach dem Dieb Ausschau halten, der - ob er es nun bewusst darauf angelegt hatte oder wie auch immer - eine ernst zu nehmende Bedrohung für die Ashfords darstellte. Sie alle wurden bereits von Unruhe, einem Gefühl gespannter
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