Küsse im Morgenlicht
nicht, da könnt Ihr Euch ganz sicher sein.« Das war zwar eine abgrundtiefe Lüge, doch irgendwie schaffte Amelia es, auch ihre nächste Behauptung mit einer solchen Inbrunst vorzubringen, dass sie es selbst fast schon glaubte. »Außerdem ist er arm wie eine Kirchenmaus. Außer meiner Mitgift hatte er doch nichts, überhaupt nichts. Ich bin doch seine Ehefrau, verdammt noch mal! Glaubt Ihr nicht, dass ich wüsste, wie es um seine Finanzen bestellt ist?«
Sie unterstrich ihre Worte mit weit ausholenden Gesten. Dann sah sie aus den Augenwinkeln, wie sich vorsichtig irgendetwas durch das Gehölz bewegte. Scheinbar unbeeindruckt von ihren Worten, trat Kirby noch ein Stückchen näher auf sie zu - plötzlich konnte Amelia wieder den Pfad zur Lichtung herauf erkennen. Verstohlen spähte sie an Kirby vorbei. Und dann sah sie Luc, der reglos zwischen den Bäumen verharrte. Doch sein finsterer Blick war nicht etwa auf Kirby gerichtet, sondern auf sie, Amelia. Starr blickte er ihr in die Augen.
Für einen kurzen Moment schien die Zeit stillzustehen. Eine eiskalte Hand schien nach ihrem Herzen zu greifen...
Kirby sah sie an, las den Ausdruck auf ihrem Gesicht.
Dann fuhr er mit einem wütenden Brüllen herum.
Amelia zuckte zusammen, schnappte erschrocken nach Luft und wich zitternd einige Schritte zurück, als Kirby sich auf Luc stürzte und drohend eine seiner großen Fäuste kreisen ließ.
Amelia schrie aus Leibeskräften.
Luc duckte sich erst im allerletzten Augenblick. Sie konnte nicht sehen, was passierte, doch plötzlich ging ein Ruck durch Kirbys Körper, und der große Mann krümmte sich vornüber. Nur um sich gleich darauf abrupt wieder aufzurichten und rückwärtszutaumeln - Luc hatte ihm einen kräftigen Kinnhaken versetzt.
Deutlich war zu hören, wie bei diesem Schlag Knochen auf Knochen trafen. Amelia zuckte bei dem Geräusch zusammen und wich hastig noch ein Stück weiter zurück, in dem Versuch, Kirby auszuweichen, denn auch dieser taumelte schwerfällig und Schritt für Schritt immer wieder rückwärts. Allerdings standen die Bäume so dicht beieinander, dass Amelia kaum wusste, wohin sie sich wenden sollte. Zumal Kirby sie offenbar keineswegs vergessen hatte. Zornig wandte er sich nach ihr um - zum Glück richtete er seine Aufmerksamkeit dann jedoch gleich wieder auf Luc.
Der trat nach einem raschen Blick in Amelias Richtung mitten auf die kleine Lichtung. Und in diesem einen, weit ausgreifenden Schritt lagen so viel mehr Angriffslust, Zorn und Drohung, als Kirby sie mit all seiner Muskelkraft jemals hätte vermitteln können.
Der Schurke stöhnte, stolperte, richtete sich wieder auf - und dann hielt er plötzlich eine blitzende Messerklinge in der Faust.
Der Schreck verschlug Amelia beinahe den Atem. Stocksteif blieb sie stehen.
Auch Luc hielt inne, den Blick fest auf die Klinge gerichtet. Dann bewegte er sich langsam weiter auf seinen Widersacher zu.
Kirby duckte sich, breitete die Arme weit aus und begann, im Kreis um Luc herumzuschleichen.
Luc wich zur Seite aus.
Amelia drückte sich mit dem Rücken gegen einen der Bäume, und im Geiste sah sie wieder Amanda vor sich, die erst vor Kurzem ebenfalls ein Messer an ihrer Kehle hatte spüren müssen...
Plötzlich machte Kirby einen Satz vorwärts und holte mit seinem Messer nach Luc aus. Luc sprang zurück, entkam der scharfen Klinge nur um Haaresbreite.
Entsetzt starrte Amelia auf die Szene. Es war nicht schwer zu erkennen, dass Kirby auf Lucs Gesicht zielte. Das wunderschöne Gesicht ihres Ehemannes! Ein Gesicht wie von einem steinernen Engel. Luc selbst allerdings schien sich gar nicht so recht bewusst zu sein, wie attraktiv er war, und gab sich darum, entgegen Kirbys Vermutung, auch keine sonderliche Mühe, seine schmalen Wangen vor dem Messer seines Widersachers zu schützen.
Amelia wiederum hing sehr an dem Anblick, den Lucs Gesicht ihr bot. Und sie wollte, dass es auch noch eine Weile so blieb.
Die Zähne grimmig zusammengebissen, sah sie sich suchend um. Dann entdeckte sie einen abgeknickten Ast - einen schönen, dicken Eichenast. Er war gerade so dick, dass man jemandem damit einen empfindlichen Hieb versetzen konnte, und wiederum noch leicht genug, dass Amelia ihn emporschwingen konnte. Vor allem aber lag er gleich neben ihren Füßen und war frei von jeglichem Gestrüpp oder Unterholz, sodass sie ihn unbemerkt aufheben konnte.
Kirby hatte ihr den Rücken zugewandt. Noch ehe sie ihren Plan richtig durchdacht hatte, schlossen sich
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