Küsse im Morgenlicht
dieser Umarmung lag, nur schwer verbergen. Amelia verschränkte ihre Hände in seinem Nacken, aber im Grunde brauchte sie ihn gar nicht an sich zu ziehen. Abermals bot sie ihm ihren Mund dar. Und dann übernahm Luc die Führung, entwand ihr jegliche Kontrolle über die Situation.
Sein nächster Kuss riss Amelia fast von den Füßen.
Eine pulsierende Hitze durchströmte sie... nicht vergleichbar mit dem reißenden Strom des Verlangens, sondern eher mit der stetig und unaufhaltsam weiter anschwellenden Woge des Sichnacheinander-Sehnens. Die Sehnsucht ergoss sich durch Amelias Adern, erfüllte ihr ganzes Wesen, raubte ihr fast den Verstand. Sie klammerte sich an Luc, trank seinen Kuss, spürte, wie ihre Sinne unter den heißen Wogen der Erregung begraben wurden. Sie sank gegen Luc, dessen Körper unter seiner eleganten Kleidung hart wie Stahl erschien, fühlte, wie er den Käfig seiner Arme noch ein wenig enger um sie schloss.
Seine vermeintliche Ruhe und Gelassenheit - die im Grunde niemals echt und von Anfang an nur vorgetäuscht gewesen waren - hatten sich geradezu in Luft aufgelöst. Mit jedem seiner Küsse wurde er stürmischer, leidenschaftlicher, mit jedem seiner Küsse schien er tiefer, stärker in Amelia zu dringen, ähnlich einem Wirbel, der ihre Selbstbeherrschung nach und nach mit sich fortriss. Zumal Amelia sich gegen seine fortschreitende Eroberung auch überhaupt nicht wehrte… eine Tatsache, der Luc sich durchaus bewusst war. Und er verlangte auch keine weitere Ermunterung von ihr, bat noch nicht einmal um Erlaubnis, als er sie schließlich vom Kopf bis zu den Zehen zu der seinen machte, als er ihr die Augen öffnete, den Schleier der Romantik von ihren Träumen fortriss und ihr zeigte, wie weit ein simpler Kuss gehen konnte.
Er führte sie einen ihr bislang unbekannten Pfad entlang - den Pfad der Leidenschaft. Und Amelia folgte ihm auf dem Fuße.
Es war der stärker werdende Druck ihrer Finger in seinem Nacken, die Art, wie Amelia sich mit einem Mal an ihn drängte - das plötzliche, alles andere dominierende Verlangen, ihren Kuss noch zu intensivieren und noch weiter, sehr viel weiter zu gehen -, was Luc mit einem unsanften Ruck wieder in die Realität zurückbeförderte, was ihn schlagartig ernüchterte und seinen Verstand wieder das Kommando übernehmen ließ.
Was, zum Teufel, tat er hier eigentlich?
Abrupt zog er sich zurück, beendete den Kuss. Mühsam rang er nach Atem, versuchte, den tosenden Wirbel in seinem Kopf wieder zu besänftigen.
Doch er schaffte es nicht; nicht, solange er Amelia in seinen Armen hielt, nicht, solange sie sich mit ihrem schlanken, biegsamen und so verdammt verführerischen Körper derart einladend an ihn presste. Sein Herz schlug laut hämmernd in seiner Brust. Er musste sich regelrecht zwingen, die Arme zu öffnen, musste sich zwingen, seine Hände an Amelias Taille zu legen und sie ein gutes Stück von sich fortzuschieben.
Sie schwankte leicht; er stützte sie, während sie verwundert blinzelnd zu ihm aufblickte.
Luc atmete einmal tief ein. »Wir -« Es klang mehr nach einem erstickten Krächzen. Er räusperte sich - das Verlangen schien ihm die Kehle zuzuschnüren - und stieß schließlich mit heiserer Stimme hervor: »Es wird Zeit, dass wir in den Ballsaal zurückkehren.«
»Es wird Zeit?« Amelia starrte ihn an, dann sah sie sich suchend um. »Aber woher willst du das denn wissen? Ich sehe hier keine Uhr.«
»Welche Uhr?« Für einen kurzen Moment konnte er nicht glauben, dass... dann schüttelte er den Kopf. »Ach, egal. Komm einfach mit.«
Damit ergriff er ihre Hand, zog Amelia mit sich und eilte die Stufen, die zur Hauptterrasse führten, hinauf. Am oberen Absatz der kleinen Treppe angekommen, blieb er noch einen kurzen Moment stehen, atmete einmal tief durch und spürte zu seiner Genugtuung, wie sein Verstand langsam wieder seinen Dienst aufzunehmen schien.
Endlich war er wieder Herr seiner Sinne - wohingegen in den vergangenen Gott weiß wie vielen Minuten, die sein Kuss mit Amelia gedauert hatte, seine Sinne eher die Herrschaft über ihn gehabt hatten.
Noch immer flanierten vereinzelte Paare über die Terrasse. Luc legte Amelias Hand auf seinen Arm und dirigierte sie auf den Ballsaal zu. Ihr Atem ging ein bisschen schneller als normal, doch als sie die Stelle erreichten, wo sich das Licht aus dem Haus über die Terrasse ergoss, und Luc Amelia mit einem raschen, kritischen Blick musterte, machte sie einen bemerkenswert beherrschten und ruhigen
Weitere Kostenlose Bücher