Kuesse niemals deinen Boss
sie will nur nicht akzeptieren, dass ich sie nicht mehr will. Hast du daran mal gedacht?“
Das war immerhin möglich. Doch mittlerweile war sie zu oft Zeuge gewesen, wenn Renzo mal wieder einer Frau einen Korb gegeben hatte. Die Tränen, die verzweifelten Anrufe, die Versuche, sich an ihr vorbei in sein Büro zu schleichen und um eine weitere Chance zu betteln. Es war erstaunlich, wie wenig Stolz Frauen manchmal hatten.
Wie oft hatte Faith den Wunsch verspürt, die Frauen zu schütteln. Und ihnen zu sagen, dass sie sich wenigstens den letzten Rest an Würde bewahren sollten. Und um Himmels Willen damit aufhören sollten, Renzo nachzustellen. Männer wie er hatten einfach kein bisschen Verständnis für hysterische Frauen.
„Das glaube ich nicht“, entgegnete sie kühl. „Weil Frauen sich nach der D’Angeli-Behandlung normalerweise in ein Häufchen Elend verwandeln. Sie wirkte kein bisschen gequält. Sie steht auf dich. Und wie.“
Er warf ihr einen scharfen Blick zu. Und trat so nah an sie heran, dass sie unwillkürlich zusammenzuckte.
„Was … was machst du?“, fragte sie unsicher.
„Nichts“, entgegnete er unschuldig. „Ich mag es, wie du sprichst, Faith. So schön langsam und langgezogen. Als hättest du den ganzen Tag Zeit. Ganz anders als die Frauen in New York.“
„Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich aus Georgia komme“, erklärte Faith nachdenklich. „Es ist ziemlich heiß dort. Deswegen reden wir langsam, gehen langsam … Irgendwie machen wir alles langsamer.“
Du liebe Güte, was redete sie da bloß? Sie machte sich ja völlig lächerlich vor ihrem Chef.
Renzo zog belustigt die Augenbrauen hoch.
„Ach ja? Dann müssen die Leute in Georgia ja ganz schön weise sein. Ich kann mir vorstellen, dass viele Dinge mehr Spaß machen, wenn man sie langsam macht.“
Faiths Herz klopfte ihr mittlerweile bis zum Hals. Zwischen ihren Brüsten bildete sich ein Schweißfilm.
„Ist ja seltsam, dass dir das jetzt erst auffällt. Ich spreche nicht anders als sonst. Und ich arbeite jetzt seit sechs Monaten für dich.“
Er trat noch näher an sie heran. Und sie machte einen Schritt zurück, bis sie an die Wand hinter sich stieß. Als wollte er sie nicht entkommen lassen, stützte er sich neben ihrem Kopf an der Wand ab. Mit der freien Hand strich er leicht über ihr Kinn.
Es war absolut elektrisierend.
„Ich wundere mich selber“, erklärte er lächelnd, und sie sah ihm seine ehrliche Verwirrung an. „Mir kommt es ohnehin so vor, als sähe ich dich heute Abend zum ersten Mal.“
Faith rauschte das Blut in den Ohren. Sie konnte gar nicht mehr klar denken. Es schien nur noch sie und ihn zu geben.
„Tja, dabei sitze ich seit einem halben Jahr jeden Tag nur wenige Meter von deiner Bürotür entfernt. Ich habe dir Kaffee gebracht, deine Anrufe entgegengenommen und deine Berichte getippt. Und nebenbei habe ich all die Abschiedsgeschenke für deine Frauen besorgt …“
„Ahhh …“, murmelte er leise. „Du bist beleidigt, weil ich dir nicht mehr Aufmerksamkeit geschenkt habe.“
„So ein Unsinn“, wehrte sie verlegen ab. „Allerdings finde ich, dass du in Zukunft vielleicht deine Geschenke selbst besorgen solltest.“
Renzo lachte.
„Das sollte ich wohl. Dabei hast du immer so schöne Sachen ausgesucht. Wie könnte ich da mithalten?“
„Vielleicht solltest du einen Einkäufer einstellen?“
Für eine Sekunde fiel sein Blick auf ihren Mund. Und sie sog scharf die Luft ein. Er stand gefährlich nah vor ihr. Und seine Hand lag noch immer an ihrer Wange. Das fast schmerzhafte sehnsüchtige Verlangen nach ihm war kaum noch auszuhalten.
Sie konnte es sich überhaupt nicht erklären. Er war ihr doch bisher immer gleichgültig gewesen.
„Du hast schöne Augen“, murmelte er jetzt. „Warum versteckst du sie den ganzen Tag hinter diesen grässlichen Gläsern?“
Faith versteifte sich. Und spürte, wie sie rot wurde vor Ärger über seinen Kommentar.
„Das sind keine grässlichen Gläser, das ist eine Lesebrille. Ich brauche sie für die Arbeit“, verteidigte sie sich.
In der Nähe lachte jemand. Dann drang Lissas Stimme zu ihnen herüber.
„… total unattraktiv und unscheinbar. Ganz ehrlich, ich hab keine Ahnung, was er an ihr findet. Vielleicht stehen die Italiener auf so etwas.“
Ein Moment lang schien die Zeit stillzustehen. Unangenehme Erinnerungen an ihre Schulzeit kamen in Faith hoch. Dinge, die sie lieber vergessen wollte.
Sie atmete ein paar Mal tief ein und
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