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Kuessen al dente - Roman

Kuessen al dente - Roman

Titel: Kuessen al dente - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Nelson
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hinstellen konnte. »Viel Spaß damit.«
    Georgia lächelte abwesend, den Blick immer noch auf ihre ausgefüllte Strickjacke geheftet, die sich mit jedem ihrer Atemzüge hob und senkte. Aber trotzdem.

20
    E ine gigantische Schneeflocke flackerte über der 57. Straße und der Fifth Avenue — in der Vorweihnachtszeit, wenn nicht sogar während des ganzes Jahres, das Einkaufsmekka der Welt. In den Straßen stauten sich die Taxis, über die Fußwege wälzte sich ein Strom von Touristen, deren Sprachpalette von Ukrainisch bis Brooklynesisch reichte. In den bis auf den Boden reichenden Schaufenstern von Bergdorf türmten sich Designerklamotten, Taschen, Schuhe, alles vom Allerfeinsten. Auf der anderen Straßenseite drängten sich die Touristen vor Tiffany’s und drückten sich an den Glasvitrinen mit den kostbaren Schmuckstücken die Nasen platt, ehe sie hinauf in die vierte Etage gingen, wo sie dann vielleicht einen Schlüsselanhänger, einen Glücksbringer oder einen winzigen Silberrahmen erstanden. Ein Stück weiter die Straße hinunter sammelten die Getreuen der Heilsarmee unermüdlich für die weniger vom Glück Begünstigten und läuteten vor der St. Patrick’s Church, vor Saks und dem Rockefeller Center ihre Glocken. Alle Straßen führten direkt auf den Christbaum zu: eine dreißig Meter hohe norwegische Tanne, geschmückt mit Hunderten von bunten Lichterketten und einem fünfzackigen Stern auf der Spitze. Die Vorweihnachtszeit in New York war in vollem Gang.
    Wie jeder waschechte New Yorker mied Georgia die Touristenmeile der Fifth Avenue von Thanksgiving bis zum Neujahrstag. Der einzige Verstoß gegen diese eiserne Regel war Glenns und ihr alljährlicher Pilgerspaziergang mitten durch das Getümmel, um den Baum zu bestaunen. Begonnen hatte
diese Tradition ganz arglos an einem sternklaren Dezemberabend nach ein paar dieser scheußlichen Apfel-Martinis im Four Seasons. Anschließend hatte Glenn einen kleinen Spaziergang vorgeschlagen. Arm in Arm waren sie die Fifth Avenue entlanggeschlendert, waren vor jedem überladenen Schaufenster stehen geblieben und hatten Geschenke ausgesucht, die sie niemals für irgendjemand, den sie kannten, kaufen würden. Das Rockefeller Center war beinahe leer gewesen, und sie hatten sich an den Händen gehalten, den Christbaum bewundert und in dem Moment ganz und gar vergessen, wie kitschig das alles war. Im nächsten Jahr hatten sie diesen Abend wiederholt und zur Tradition erkoren, indem sie sich sogar auf dieselben unbequemen Barhocker setzten. Der einzige Unterschied war, dass sie diesmal Champagner in den Gläsern hatten – ein notwendiges Upgrade.
    Dieses Jahr würde sie diese Wallfahrt ausfallen lassen. Zum einen war da dieser Glenn-ist-mit-einer-anderen-verlobt-Umstand. Zum anderen kam sie jetzt täglich zweimal an dem Baum vorbei, einmal auf ihrem Weg zum Tuscan Oven und anschließend noch einmal auf ihrem Heimweg vom Tuscan Oven. Mitte Oktober hatte sie dort als Küchenchefin angefangen und jetzt, zwei Monate später, fühlte sie sich dort richtig wohl. Der Job war so gut wie stressfrei: Der Boss war nie da, die Chance, dass jemand eine Kritik schrieb, gleich null, zudem sprachen die meisten Gäste nur ein paar Brocken Englisch. Je entspannter sie wurde, desto schwerer fiel es ihr, die Idee eines eigenen Restaurants weiter zu verfolgen. Dazu kam die Erkenntnis, dass in der Zeit um Weihnachten in dieser Stadt sämtliche Projekte ruhten. Die Überlegungen bezüglich eines geeigneten Partners beschäftigten sie zwar, aber meistens verdrängte sie sie erfolgreich. Ihre großen Pläne mussten bis zum Jahreswechsel warten, was, wie Claudias
Astrologin sicherlich bestätigen würde, ohnehin ein sehr viel günstigerer Zeitpunkt für einen Neubeginn war.
    Mit einer grob gestrickten Wollmütze auf dem Kopf, einer dicken Winterjacke und Jeans, die sie in die kniehohen Stiefel gestopft hatte, erschien Georgia im Tuscan Oven. Für den späteren Abend war Schneefall angekündigt, die ersten Flocken der Saison und von den New Yorkern sehnsüchtig erwartet. Mit einem leisen Quietschen schlug die Tür hinter ihr zu. Sollte der Wind noch weiter auffrischen, würde es einen Schneesturm geben und das Restaurant an diesem Abend leer bleiben. Touristen wussten schließlich auch, wie man beim Pizzaservice bestellte.
    Georgia trat durch den aus Ziegeln gemauerten Türbogen ins Lokal und wollte zu ihrem Spind.
    »Georgia!«, rief jemand. » Ciao , Georgia!«
    Georgia drehte den Kopf, und ihr

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