Kuessen al dente - Roman
dass ich im Olive Garden arbeite?
Sie strich die Nummern 3, 4 und 5 durch, denn diese fielen eigentlich alle unter den ersten Punkt: erniedrigend. Und Punkt 6 müffelte nach Kleingeistigkeit und schied deshalb ebenso aus. Blieben respektable zwei Kontras. Weiter zu den positiven Aspekten.
Es ist ein Job.
Er wird nicht so schlecht bezahlt.
Und mehr gab es dazu eigentlich nicht zu sagen. Nachdem sie sich jetzt seit zwei Wochen die Finger wund telefoniert und mit jedem, den sie kannte, gesprochen und sogar auf ein paar Stellenangebote geantwortet hatte, ging ihr langsam das Geld aus. Auch wenn ihr alle zu dem Taste -Artikel gratulierten und die Geschichten über ihre Zeit in Italien mit interessierten Oohs und Aahs quittierten, irgendwann dann eine Braue hoben und sie flüsternd aufforderten, ihnen doch zu erzählen, was wirklich im Marco los gewesen sei, so als wären sie ihre dicksten Freunde, bot ihr niemand einen Job an. Entweder hatten sie gerade einen Koch eingestellt oder schrumpften sich gesund, schlugen eine andere Richtung ein, hatten nicht die passende Stelle für sie frei, hatten kein Geld, keinen Bedarf, keinen momentanen Engpass. Nachdem ihr Bankkonto in der gleichen Geschwindigkeit schrumpfte wie ihr Selbstvertrauen, überlegte sie tatsächlich, ob sie nicht Gianni anrufen und ihm sagen sollte, dass sie das Angebot nun doch annehmen wolle. Und sie überlegte, ob sie wieder bei ihren Eltern unterkriechen sollte. Aber nur eine halbe Nanosekunde lang.
Auftritt Effie. Der gute alte Effie, der selbst einen Ozean von New York entfernt zu Georgias Rettung eilte. Sein Onkel Gino, erfolgreicher Geschäftsmann in Bari, hatte einen Schulfreund, der in New York ein Restaurant betrieb. Ein paarmal
im Jahr jettete dieser Freund über den großen Teich und genoss es, einen Ort zu haben, wo er seine Freundinnen unterhalten und sich und seinen Namen in Szene setzen konnte. Falls sie Interesse hätte, könnte Onkel Gino da schon was machen. Sie hatte Interesse.
Das Lokal Tuscan Oven, so fand Georgia heraus, war eine zweistöckige Touristenfalle beim Rockefeller Center, mit kitschigen italienischen Landschaften an den Wänden, Kronleuchtern, an denen Oliven und Weintrauben aus unechtem Muranoglas baumelten, und Adam, Eva und zahlreiche andere mit Feigenblättern bewehrte Männer und Frauen, die mit Bacchus über die kuppelförmige Decke des Restaurants tollten. Als Georgia zu dem vereinbarten Interview mit Daniel, dem Geschäftsführer, erschien, hatte dieser nur eine Frage: Wann sie anfangen könne. Oh, und ob sie auch gleich die Schichten angeben könne, die sie bevorzuge. Keine Frage: Onkel Gino besaß Einfluss.
» Buongiorno , Georgia!« Clem stürmte ins Pain Quotidien, rauschte an der Empfangshostess vorbei und warf ihre Tasche auf einen Stuhl zwischen Georgia und dem Handyhasser. Ihr hellbraunes Haar umspielte ihre Schultern und ein paar lange Stirnfransen fielen ihr in die Augen. Sie trug braune Leggins, einen langen, ausgebeulten Pullover und ein Paar Reitstiefel, die sie schon getragen hatte, lange bevor sie in Mode kamen, wie sie jedem weiszumachen versuchte, der ihr zuhörte. Sie beugte sich zu Georgia hinunter und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. »Ich habe mich immer noch nicht richtig daran gewöhnt, dass du wieder da bist. Kaum zu glauben, dass wir uns wieder auf einen Kaffee treffen können.« Beim Anblick von Georgias Teetasse schnitt sie eine Grimasse. »Also wirklich, George. Du kannst doch bei einer Verabredung zum Kaffee nicht Tee trinken. Und noch dazu diese grüne Plörre.«
»Beruhige dich, Clem.« Georgia lächelte. Kaffeetrinken mit Clem und Lo und ausgedehnte Spaziergänge mit Sally waren im Augenblick die Highlights in ihrem Leben.
»Oh, Verzeihung. Ich vergaß, dass du ja jetzt eine Expertin in Sachen Kaffee bist.« Sie drehte sich zu einem der Kellner um. »Entschuldigung? Einen großen amerikanischen Kaffee bitte. Mit Sahne, wenn Sie haben. Dreht sich dir dabei nicht der Magen um, Georgia?«
»Doch, tut er.« Sie trank einen Schluck Tee.
»Was ist das?« Clem schnappte sich das aufgeschlagene Notizbuch. »The Tuscan Oven? Das meinst du doch nicht im Ernst, oder?«
»Doch.«
»Georgia, bist du restlos übergeschnappt? Ich sage nur: Rockefeller. Center. Ferien. Beginn. Muss ich noch mehr sagen?«
»Mich stellt niemand an, und meine Miete zahlt sich nicht von selbst. Ich brauche dringend einen Job.«
»Aber ich dachte, du gehst die Sache jetzt an. Tust es wirklich. « Clem
Weitere Kostenlose Bücher