Kuessen al dente - Roman
für mich dekantiert hast.«
»Einen Zweiundachtziger?«, wunderte sich Georgia. »Ich dachte, den gibt es gar nicht mehr.«
»Stimmt.«
John stellte die Karaffe auf die Bar und ließ den Wein langsam
in zwei dickbauchige Yeoward-Bleikristallgläser rinnen, die ausschließlich für Lucas Gebrauch bestimmt waren. Luca griff nach seinem Glas.
»Ihre Freunde haben nichts dagegen, dass Sie sie verlassen? «
»Sie belieben wohl zu scherzen, meine liebe Georgia. Essen und Wein umsonst? Die sind im Himmel und können sich jetzt auch ein bisschen entspannen. Aus irgendeinem Grund mache ich andere Leute immer nervös.« Luca zuckte mit den Schultern. »Mache ich Sie auch nervös, Georgia?« Er legte den Kopf schief und schob die Unterlippe vor.
Georgia überlegte. »Nein, eigentlich nicht.« Das war die Wahrheit. Sie hatte schon für ganz andere Kaliber von Bossen gearbeitet.
Luca wirkte ein wenig enttäuscht.
»Aber das glaube ich Ihnen sofort«, schob sie rasch nach. »Dass Sie jemanden nervös machen können.«
Luca schmunzelte und hob sein Glas. »Salute«, sagte er und nahm einen Schluck. »Ich habe eine Frage an Sie, Georgia.«
»Prost.« Nach dem ersten Schluck dieses vollmundigen Bordeaux’ hätte sie ihm stundenlang Fragen beantwortet, solange er ihr nachschenkte.
»Warum vergeuden Sie Ihr Talent hier bei mir? Ich bin natürlich froh, Sie hier zu haben, verstehen Sie mich nicht falsch. Aber dieses Restaurant, mein Restaurant, wird immer Geld abwerfen, solange das Essen einigermaßen genießbar ist. Die Touristen streichen das Rockefeller Center ja nicht plötzlich von ihrer Tour, und sie brauchen immer einen Ort, wo sie was zu essen kriegen und sich ausruhen können, wenn ihnen die Hamburger zu den Ohren raushängen.«
»Hm«, machte Georgia und trank noch einen Schluck Wein.
»Ich brauche keinen Superstar als Küchenchefin. Und ich behaupte, Sie sind auf dem besten Weg, einer zu werden.«
»Meinen Sie?«
»Gewiss doch. Aber die Frage lautet, ob Sie das auch glauben? «
»Superstar? Na, ich weiß nicht. Ich sehe mich nicht mit einem Imperium von Restaurants, sehe meinen Namen nicht in Klatschblättern oder in Internetblogs, und ich will meinen Gästen keine fünfzehngängigen Menüs zu Fixpreisen aufschwatzen, aber ich …«
Luca bemerkte ihr leeres Glas. »Mehr Wein?«
»Nur einen kleinen Schluck, bitte.« Vom Alkohol ermutigt, sah Georgia ihre Chance. »Wissen Sie, ich möchte ganz offen Ihnen gegenüber sein, Luca. Ich habe tatsächlich vor, ein eigenes Lokal zu eröffnen. Und später hoffentlich noch ein paar weitere. Ich befinde mich jedoch noch ganz am Beginn der Planungsphase, das Ganze braucht also noch Zeit. Im Augenblick suche ich nach einer geeigneten Lokalität …«
Luca unterbrach sie. »Haben Sie schon einen Businessplan ausgearbeitet?«
»Sicher«, log Georgia. Wenn ein paar Stichpunkte in einem Notizheft zählten, dann besaß sie tatsächlich einen Businessplan.
»Ende der Woche fliege ich zurück nach Bari. Geben Sie mir eine Kopie Ihres Plans mit. Ich mag Ihre Art zu kochen. Und mir gefällt Ihre Art zu reden. Wer weiß? Vielleicht kommen wir ja miteinander ins Geschäft?«
»Wow«, entfuhr es Georgia. »Das wäre ja …«
»Das ist kein Versprechen. Aber ich bin immer an jungen Talenten interessiert. Jugend in Kombination mit Begabung und Tatkraft ist immer erfolgversprechend. So jemanden verarscht man nicht, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Glaub schon«, log Georgia abermals.
»Aber jetzt muss ich zurück zu meinen Gästen. Den Wein lasse ich Ihnen da, denn ich sehe, er schmeckt Ihnen.« Er deutete auf ihr leeres Glas und zwinkerte. »Und vergessen Sie nicht, mir Ihren Businessplan mitzugeben.«
Georgia schenkte sich den Rest des Lafite Rothschild ein und ließ den Blick durch das beinahe leere Lokal schweifen. Das Gute an der Arbeit im Tuscan Oven war, dass es relativ früh am Abend schloss. Noch besser daran war, wie sich herausstellte, einen Boss zu haben, der Interesse daran zeigte, ihren ersten Alleingang zu unterstützen, ein extrem wohlhabender Boss, der sich zudem nur selten im Land aufhielt. Die besten Investoren besaßen tiefe Taschen und wohnten weit genug weg, dass mit unangemeldeten Stippvisiten nicht zu rechnen war. Luca erfüllte beide Voraussetzungen. Jetzt musste sie nur noch einen supercoolen Businessplan aus dem Hut zaubern.
»In fünf verfluchten Tagen«, murmelte sie in ihr Weinglas.
»Wie bitte?«, fragte der Barkeeper.
»Gibst du mir
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