Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kuessen al dente - Roman

Kuessen al dente - Roman

Titel: Kuessen al dente - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Nelson
Vom Netzwerk:
am Ende der Zufahrt gestanden und ihnen nachgewinkt, weiße Atemwölkchen vor den Gesichtern. Als Georgia sich noch einmal umgedreht hatte, um einen letzten Blick auf den Ort ihrer Kindheit zu werfen, sah sie, dass ihre Eltern sich küssten. Sie küssten sich ständig.
     
    Schon vom Bahnsteig aus sah Georgia den marineblauen Saab, der vor dem Bahnhof parkte. »Dover Plains« stand auf dem großen Stationsschild. Ihr Vater stieg aus und winkte ihr zu.
    »Georgia!«
    »Hi, Dad!«
    Hal war ein großer Mann, Typ Bär, massig, aber nicht dick. Er hatte dunkles Haar, in das sich erste silbergraue Strähnen mischten, trug beige Hosen, einen schlammfarbenen Glencheck-Mantel, dazu grüne Lederschuhe mit dicken Sohlen. Eine Hornbrille umrahmte seine Augen. Mit einer Pfeife im Mundwinkel, einer ledergebundenen Klassikerausgabe unter dem Arm und einem knorrigen Spazierstock hätte er das perfekte Bild eines englischen Landadeligen abgegeben. Leute, die ihn neu kennenlernten, waren immer wieder überrascht, dass er Physikprofessor war, denn er hatte gar nichts von dieser Zerstreuter-Professor-Aura an sich, die die meisten Menschen bei Wissenschaftlern seines Fachgebiets erwarteten.
    Sie umarmten sich, und Hal klopfte seiner Tochter ein paarmal liebevoll den Rücken, bevor er in seinen Wagen stieg. Georgia setzte sich auf den Beifahrersitz, strich ihr etwas luftiges schwarzes Kleid glatt und wünschte, sie hätte Strumpfhosen
angezogen. Auf dem Land war es um einiges kälter als in der Stadt.
    »Und, wie geht es dir, George?«
    »Prima, Dad.«
    Er drehte sich zu ihr um. »Du siehst großartig aus. Richtig ausgeruht. Diese Hochzeit scheint dir gut zu bekommen.«
    »Noch bin ich nicht verheiratet.«
    »Ich weiß, ich meine ja nur, dass du so zufrieden wirkst.«
    Georgia verkniff sich eine Antwort.
    Hal schaltete das Radio ein und suchte einen Sender. »Hm, ich finde den NPR nicht.«
    »Wahrscheinlich läuft dort ohnehin nur Car Talk «, erwiderte Georgia. »Hat Mom dir von der Kritik erzählt?«
    »Welche Kritik?«
    »Für unser Restaurant. Wir werden wahrscheinlich drei Gabeln verliehen bekommen. Das ist echt spitze.« Sie hatte es bereits mit ihrer Mutter versucht und konnte nicht erwarten, dass ihr Vater besser über das Beurteilungssystem von The Daily beziehungsweise die Karriere seiner Tochter informiert war als seine Frau.
    »Oh, das ist ja großartig, Georgia. Dann müssen wir dort ja mal zum Abendessen vorbeischauen.«
    »Jederzeit. Begleitest du Mutter morgen in die Stadt?«
    »Nein, ich habe morgen Nachmittag Vorlesungen. Mom nimmt den Zug.« Wieder drehte er sich zu ihr um. »Wo hast du denn deinen Verlobten gelassen?«
    »Glenn arbeitet gerade an einem ziemlich wichtigen Fall. Es tut ihm leid, dass er nicht wegkonnte, aber es war bis zum Schluss offen, ob er es schaffen würde.« Sie senkte den Blick und betrachtete angestrengt ihre Hände.
    »Schade«, meinte Hal, nachdem er seine Tochter mit einem verstohlenen Seitenblick gemustert hatte.

    Die Straße führte jetzt steil bergab und wurde kurvig. Hal beugte sich über das Lenkrad, das er mit beiden Händen in der »Zehn-vor-Zwei-Position« festhielt. Georgia war froh, dass sie schweigen konnte, und konzentrierte sich stattdessen auf die Landschaft. Die Bäume entlang der Straße begannen auszuschlagen, das Gras wurde schon grün; die hügelige Landschaft erwachte zum Leben. In einer Woche oder zwei würden sich die majestätischen Backsteinhäuser mit den Schindeldächern wieder hinter den Steinmauern und den dann dicht belaubten Bäumen verstecken, den ganzen Sommer und den Herbst über, bis dann der Zyklus wieder von neuem begann.
    »So, da sind wir.« Hal brachte den Saab vor einem schmiedeeisernen Gartentor zum Stehen, das von zwei massiven, gemauerten Torpfosten begrenzt wurde. Auf der rechten Seite stand eine Sprechanlage. Er kurbelte das Seitenfenster herunter und rief laut seinen Namen, worauf die beiden Torflügel aufschwangen. Sie fuhren durch eine Ahornallee und an einem Teich vorbei, an dem eine Gartenlaube stand. Eine Wiese mit Wildblumen ging unmerklich in einen gepflegten smaragdgrünen Rasen über, der sich einen kleinen Hügel hinaufzog und bis zu einer schneeweißen, im griechisch-antiken Stil gehaltenen Villa mit schwarzen Fensterläden und stattlichen Säulen reichte. Hinter dem Haus erhob sich die dunstige Silhouette einer Hügelkette.
    »Wow«, entfuhr es Georgia. »Dieser Platz ist ja noch schöner, als ich ihn in Erinnerung habe. Fast wie

Weitere Kostenlose Bücher