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Kuessen al dente - Roman

Kuessen al dente - Roman

Titel: Kuessen al dente - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Nelson
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während Hal sich in ein anhaltendes Räuspern flüchtete.
    Sie habe Dorothys Ausbildung finanziert, fuhr Grammy fort, deshalb würde sie selbstverständlich auch für Georgias aufkommen, zumal die ja praktisch wie eine zweite Tochter für sie sei. Ein wenig gerührt hatte Georgia ihrer Familie daraufhin genau erläutert, wie ihr Berufswunsch aussehe: Sie wolle auf eine gastronomische Hochschule gehen und Küchenchefin werden. Grammy war begeistert, ihre Eltern – die jeden Einfluss auf den akademischen Werdegang ihrer Tochter und eine damit verbundene Karriere schwinden sahen – verfielen in enttäuschtes Schweigen.

    Während der Nachspann von Top Hat lief, ging Georgia ins Badezimmer, um zu duschen. Ein Tag auf dem Land klang großartig; ein Tag auf dem Land mit Dorothy und Hal nicht so sehr. Aber wenigstens war ihr Onkel Paul ein netter Kerl, und man konnte sich eigentlich immer drauf verlassen, dass er ein paar gute Flaschen aus seinem Weinkeller holte.
    Georgia rubbelte sich die Haut an Armen und Beinen mit einem Schwamm und einem Peeling ab, das nach Minze roch. Anschließend stellte sie sich vor den Spiegel und formte mit den Lippen ein kritisches »O«. Konnte jeder diese feinen Härchen auf ihrer Oberlippe sehen oder war es nur das Licht? Sie kramte im Medizinschrank nach der Gesichtsmaske, die Lo ihr geschenkt hatte und die angeblich Pickel zum Verschwinden brachte, gegen einen Damenbart jedoch vermutlich nichts ausrichten konnte. Dabei rollte ein Tablettenröhrchen, das hinter Glenns Rasierschaum gestanden hatte, heraus und fiel ins Waschbecken. Georgia hob es hoch. An der Seite klebte ein gelber Sticker mit dem warnenden Hinweis: Nach Einnahme dieses Medikaments sollten Arbeiten an Maschinen vermieden werden. Ebenso Autofahren und der Genuss von Alkohol. Sie drehte das Röhrchen um und sah, dass es Schlaftabletten enthielt, die Glenns Hausarzt ihm verschrieben hatte. Sie schüttelte das Röhrchen und leerte die verbliebenen Pillen in ihre Handfläche. Nach kurzem Zögern legte sie eine der rosa Pillen auf ihre Zunge und schluckte sie mit einer Handvoll Wasser aus dem Hahn. Genau wie vom Arzt verordnet.
     
    Eine Frau mit wabbelnden Hängebacken und einer billigen Supermarkt-Lesebrille auf der Nase sah sie auffordernd an und schnaufte erschöpft. »Ja?«
    »Dover Plains«, sagte Georgia. »Hin und zurück, bitte.«

    Während ihre Fahrkarte ausgedruckt wurde, drehte Georgia sich um und warf einen Blick hinauf zu der blaugrünen Kuppel, die sich über die Grand Central Station spannte und ein Himmelszelt mit den Sternbildern darstellen sollte. Die Restaurants an beiden Enden der riesigen Bahnhofshalle waren leer. Reisende schleppten sich die breiten Treppen hinauf zu der Ebene, von wo aus sie in die Straßen New Yorks entlassen wurden. Eine Horde Teenager in knielangen Shorts und mit schweren Rucksäcken beladen traf sich unter der Uhr in der Mitte der Halle mit einer trotz des kühlen Frühlingsmorgens identisch gekleideten anderen Gruppe. Sie begrüßten sich mit großem Hallo, und ein Mädchen mit zwei dicken Zöpfen deutete auf die berühmte Uhr und sagte etwas, woraufhin alle anderen lachten. Georgia bezahlte ihre Fahrkarte und fuhr mit der Rolltreppe ins Untergeschoss, wo ihr Zug abfuhr. Im Restaurant- und Imbissbereich gab es kulinarische Köstlichkeiten aus aller Herren Länder, und es herrschte bereits reger Betrieb an diesem frühen Sonntagmorgen. Georgia nahm das vielfältige Angebot in Augenschein und entschied sich dann für die amerikanische Frühstücksvariante mit einem Kaffee, einem Bananenmuffin und der neuesten Ausgabe des New York Magazine .
    Obwohl sie neun Stunden wie ein Stein geschlafen hatte (die kleine rosa Pille hielt ihr Versprechen), fühlte sie sich genauso zittrig wie nach einem dreifachen Espresso auf nüchternen Magen. Sie stieg in ihren Zug, suchte sich eine freie Sitzreihe und setzte sich auf den Fensterplatz. Ihre Handtasche stellte sie gut sichtbar auf den Sitz neben sich. Das letzte Mal hatte sie ihre Eltern in Wellesley gesehen, als sie und Glenn bei einem Take-away-Festmahl vom Vietnamesen ihre Verlobung verkündet hatten. Sie hatten in dem Farmhaus übernachtet, in dem sie aufgewachsen war, in ihrem ehemaligen
Kinderzimmer (wo sie sich trotz der unausgesprochenen Erlaubnis ihrer Eltern nicht hatten überwinden können, Sex zu haben), und waren am nächsten Morgen, nach Schinken-und Blaubeerpfannkuchen wieder abgereist. Ihre Eltern hatten an diesem frostigen Morgen

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