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Kuessen al dente - Roman

Kuessen al dente - Roman

Titel: Kuessen al dente - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Nelson
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…«
    Marco stand in der Tür, den weißen Motorradhelm in der Hand, die Augen hinter der schwarzen Bikerbrille verborgen. Mit seinem Zahnpastareklamelächeln und dem hautengen T-Shirt sah er aus wie ein in die Jahre gekommenes Mitglied einer längst vergessenen Teenieband.
    Georgia drehte sich um und ging in den Umkleideraum, vorbei an Ricky, der ein blasses Broccoliröschen zum Mund führte, es musterte und dann zurück auf seinen Teller legte. Das Einzige, was sie nach dem Desaster mit Glenn bei der Stange gehalten hatte, das sprichwörtliche Licht am Ende des Tunnels, war mit einem Schlag zappenduster geworden. Eine Ein-Gabel-Kritik war ein todsicherer Karrierekiller. Genauso
vernichtend wie eine Feure-den-Küchenchef-kratz-den-Namen-vom-Türschild-ändere-die-Inneneinrichtung-wenn-du- überhaupt-noch-weitermachst-Kritik. Sie war erledigt. Und alles nur wegen Marcos verfluchter Libido!
     
    Umgezogen und bereit für die Vorbereitungen in der Küche, ging Georgia noch einmal nach draußen, um ihre Nerven zu beruhigen. Ricky stand rauchend neben dem Gardemanger, der kaum ein Wort Englisch sprach, zum Ausgleich aber umso öfter gegen seine verschleimte Kehle anräusperte. Ricky blies einen Rauchkringel in Georgias Richtung und gesellte sich zu ihr.
    »Alles klar bei dir?«
    »Verdammt, Ricky, das wird richtig übel.«
    »Erinnere dich, was du an dem Abend gesagt hast. Es ist nicht deine Beerdigung, sondern Marcos. Deine Worte, Chef.«
    »Das Blöde ist nur, dass ich da gelogen habe. Das wird nicht Marcos Beerdigung, nicht eure Beerdigung, sondern meine. Hundertprozentig.« Sie betrachtete die Zigarettenkippen auf dem Boden. »Kann ich eine haben?«
    »Du rauchst nicht, Georgia. Außerdem wird es wahrscheinlich gar nicht so schlimm, wie wir alle befürchten. Vielleicht überrascht sie uns und gibt uns zwei Gabeln. Das wäre schon recht respektabel.« Er drückte seine Zigarette aus. »Komm, holen wir uns noch schnell einen Kaffee.
    Die an der Juilliard ausgebildete Cellistin und jetzt Kellnerin, die Mercedes bedient hatte, machte ihnen zwei Cappuccinos. »Georgia, jetzt mach dir wegen der Kritik keinen Kopf. Jeder hier weiß, wie das gelaufen ist, und niemand wird die Schuld bei dir suchen. Hier, bitte sehr«, sagte sie und reichte den beiden die Cappuccinos. »Mit extra viel Schaum.«

    »Danke.« Georgia wunderte sich nicht zum ersten Mal, wie schnell schlechte Nachrichten die Runde machten. Sie schlürfte ihren Cappuccino und merkte, dass ihre innere Stärke noch schneller schwand als ihre zukünftigen Karriereaussichten.
    Ricky deutete mit dem Kinn zur Tür, wo Marco stand, breitbeinig, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Wenigstens hatte er die Brille abgenommen.
    »Leute.« Er stolzierte auf die Truppe zu, den Blick auf die üppige Oberweite der Kellnerin gerichtet.
    Geiler Bock, dachte Georgia zum millionsten Mal an diesem Tag. Dabei war er nicht mal gut im Bett.
    »Und, wie läuft’s?« Er schnippte einen imaginären Fussel von seinem T-Shirt und fuhr sich ein paar Mal mit der Hand durch die Frisur. »Alles frisch und munter?« Das Geräusch seiner Lederabsätze auf dem Fliesenboden mischte sich beim Gehen mit dem Scheppern des Schlüsselbunds in seiner Hosentasche. »Heute Abend ist richtig was los. Huggy Henderson beehrt uns mit ihrem Besuch. Weiß einer von euch, wer das ist?«
    Georgia machte den Mund auf und gleich wieder zu.
    »Eine echte Prominente und eine Freundin von mir. Ich habe selbst die Reservierung für sie eingetragen, also seht zu, dass ihr euch anstrengt. Tisch neun.« Er gab der drallen Kellnerin einen Klaps auf die Schulter, zwinkerte ihr zu und verzog sich wieder.
    Georgia hatte er mit keinem Blick gewürdigt. Sobald die Kritik erschienen war, würde er sie feuern. Das war für sie so sicher wie das Amen in der Kirche.
     
    Georgia ging ihre Vorbereitungen für den Abend aggressiver an als sonst. Ihrer Meinung nach gab es zwei Arten von Köchen.
Da waren zum einen die Kopftypen, für die das Kochen eine intellektuelle, fast schon akademische Angelegenheit war. Sie arbeiteten mit allerhöchster Genauigkeit und Präzision und studierten die Effekte einer bestimmten Zutat in zahlreichen Gerichten, ehe sie diese in ihre Küche integrierten. Für diese Köche war die Zubereitung von Nahrungsmitteln eine Wissenschaft. Bei den Vorbereitungen ließen sie ein Höchstmaß an Sorgfalt walten, was ihnen zu neunundneunzig Prozent ein gutes Ergebnis eines Gerichts garantierte. Und dann gab

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