Kuessen al dente - Roman
zurück in die Küche und grinste auf dem Weg dorthin eine vorbeihuschende Kellnerin fröhlich an.
Trotz ihrer vermurksten Karriere und ihrer katastrophalen Beziehung verspürte Georgia einen Anflug von Freude. Marco würde sie auf die Straße setzen. Die ganze Stadt würde bald eine verheerende Kritik lesen, in der ihr Name mindestens ein halbes Dutzend Mal erwähnt wurde. Und trotz alledem, Andrews Augen waren so … schön. Und diese Stimme. Vielleicht war das Single-Dasein gar nicht so fürchterlich. In beinahe ausgelassener Stimmung schwebte sie Richtung Küche und blieb vor der Tür noch einmal kurz stehen. Sie drehte sich für einen letzten Blick auf Tisch neun um, gerade als eine blendend aussehende Brünette in einem trägerlosen Kleid auf eben diesen zuschwebte. Andrews Schwester? Nachdem sie Huggy und ihrem Mann Luftküsschen zugeworfen hatte, blieb sie neben Andrew stehen, beugte sich zu ihm herab und küsste ihn mitten auf den Mund. Keine Chance.
Georgia schaute hinab auf ihre Hand, die Huggys Visitenkarte umklammerte, und wurde dabei von dem funkelnden Brillanten an ihrer linken Hand geblendet. Und plötzlich befiel sie die Realität wie eine Sommergrippe. Was hatte sie denn gedacht? Natürlich hatte ein Typ wie Andrew eine Freundin, oder auch eine Frau. Außerdem war sie immer noch mit Glenn verlobt. Und obwohl es nur noch eine Frage der Zeit war, wann sie sich trennten, waren sie im Moment noch verlobt, und den Beweis dafür trug sie am Ringfinger ihrer linken Hand.
»Was ist los mit dir, Chef? Alles okay?«, erkundigte sich Ricky. Als er keine Antwort von Georgia erhielt, fuhr er fort: »Ich glaube, eine feuchtfröhliche Nacht wird dir guttun. Unsere Kellner haben heute so viel Trinkgeld gekriegt, dass sie uns später auf einen Zug durch die Gemeinde einladen wollen.«
In dem Film Big Night , den Georgia kürzlich gesehen hatte, ging es um zwei Brüder, die ein italienisches Restaurant besaßen und sich den ganzen Film über auf den großen Abend vorbereiteten, der ihr Lokal vor dem finanziellen Ruin retten sollte. Hat er aber nicht. Und in ihrem Fall, überlegte Georgia, würde ein Besäufnis sie auch nicht retten.
»Das ist total lieb, Ricky. Aber ich glaube, ich gehe gleich nach Hause. Ich bin nicht in der Stimmung, heute groß auf die Rolle zu gehen.« Ihre Gefühle fuhren Achterbahn, und sie hatte größte Mühe, sie irgendwie einzuordnen. Andrews gefühlvoller Blick und sein sexy Mund hatten eine solche Hochstimmung bei ihr ausgelöst, dass sie sich wirklich wunderte. Ein Lächeln von einem x-beliebigen Kerl, noch dazu mit Freundin, und schon wollte sie Freudentänze aufführen? Sie fuhr sich mit den Fingern durch ihr krauses Haar, eine Todsünde für Küchenchefs und Lockenköpfe, aber manchmal konnte sie einfach nicht widerstehen.
Gegen Mitternacht konnte Georgia endlich Feierabend machen. Es war der beste Abend in der Geschichte des Marco gewesen; sie hatten sage und schreibe 256 Essen verkauft, und kaum eine Rechnung hatte unter hundert Dollar gelegen. Welche Ironie, dass das bald vorbei sein sollte. Diskomusik aus den Siebzigern plärrte durch die Küche, während die Mannschaft ihren Feierabenddrink kippte und sich auf weitere an der Bar nebenan vorbereitete.
Ricky tänzelte zu Georgia hinüber und stupste sie zu den letzten Klängen von Lady Bump mit der Hüfte an. »Kann ich dich wirklich nicht überreden, noch mitzukommen? Das würde dich bestimmt aufheitern.«
»Glaube ich nicht, Ricky, aber trotzdem vielen Dank. Ich habe eine ganz wichtige Verabredung mit meiner vorletzten Schlaftablette.« Sie konnte unmöglich ohne einschlafen. Sie schwang ihre Tasche über die Schulter und verließ die Küche. »Bis morgen.«
»Viel Spaß mit deiner Verabredung«, rief Ricky ihr nach.
Auf dem Weg durchs Lokal blieb Georgia an der Bar stehen, roch an den duftenden Blumen und nahm eine besonders schön gewachsene Pfingstrosenblüte in die Hand. An der Tür drehte sie sich noch einmal um und warf einen letzten Blick ins Restaurant. »Arrivederci, amici«, sagte sie zu niemand Bestimmtem. Dann stieß sie die Tür auf und trat hinaus in die kühle Nacht.
6
D as Display ihres digitalen Weckers verkündete 06:03 sowie die Schlagzeile eines Skandalblatts. Georgia setzte sich auf, streckte sich und rieb sich die Augen. Der Tag der Urteilsverkündung, besser gesagt, der Tag der Verkündung der Gabeln, brach früher an als die meisten anderen, und Georgia verfluchte ihre innere Uhr für ihre
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