Kuessen al dente - Roman
Marco?«, erkundigte sich Georgia.
»Ja, in der Tat. Ich hatte das ausgesprochene Vergnügen, einmal in Ihrem Restaurant zu speisen, erst vor wenigen Wochen. « Sie sprach mit elegantem Tonfall und klang wie eine Mischung aus Lauren Bacall und Madonna, nachdem diese beschlossen hatte, britisch zu werden.
»Nun, ich hoffe, wir haben Sie nicht enttäuscht«, meinte Georgia verbindlich.
»Aber nein. Es war ausgezeichnet. Die Jakobsmuscheln waren fantastisch, der Thunfisch einfach göttlich, nur die Rehkeule war für meinen Geschmack einen Tick zu salzig.« Den letzten Satz wisperte sie hinter vorgehaltener Hand und lachte dann. Georgia mochte sie sofort.
»Ich hoffe, Sie kommen wieder. Gäste mit einem verwöhnten Gaumen sind für uns eine besondere Herausforderung.« Georgia beugte sich ein wenig näher zu der Dame hin. »Und ich verspreche Ihnen, das nächste Mal sparsamer mit dem Salz umzugehen.«
Zwei Ärzte in grüner Krankenhauskleidung und schwarzen
Clogs kamen die Treppe herunter und stellten sich an. Die Ärztin warf einen Blick auf ihren Beeper, sagte etwas zu ihrem Kollegen und rannte die Treppe wieder hinauf.
»Wunderbar.« Die Dame zog einen Taschenkalender von Louis Vuitton aus ihrer Handtasche und blätterte darin. »Ich würde tatsächlich gern morgen Abend um acht Uhr kommen. « Sie sah Georgia an und wartete – ohne Zweifel eine Frau, die es gewöhnt war zu bekommen, was sie wollte.
»Ich werde mich darum kümmern. Und für wen darf ich reservieren?«
»Henderson. Barbara Henderson. Vier Personen. Hier ist meine Karte.« Sie händigte Georgia eine eierschalenfarbene Visitenkarte mit elegantem Prägedruck aus. Darauf standen ihr Name und diverse Telefonnummern. Georgia registrierte das Gewicht und den unaufdringlichen Glanz der Karte, typisch für Schreibwaren von Dempsey & Carroll, und steckte sie in ihre Hosentasche. Glenns Mutter hatte die Hochzeitseinladungen bei diesem schicken Schreibwarengeschäft bestellen wollen, aber als sie den Preis hörte, hatte Georgia gestreikt. Nie im Leben hätte sie so viel Geld für schnödes Papier ausgegeben.
»Bis morgen dann, Mrs. Henderson.« Georgia nahm die kleine braune Papiertüte vom Ladentisch und wandte sich zur Tür. »Danke«, sagte sie zu der Barista mit den vielen Piercings im Gesicht, die ihren Kaffee zubereitet hatte. Das Mädchen schaute sie ausdruckslos an, und Georgia fragte sich insgeheim, welches Piercing wohl am meisten wehgetan hatte: der silberne Ring in der Nase oder die beiden Knöpfe in ihren Augenbrauen.
»Bitte, Mrs. Henderson ist meine Schwiegermutter. Nennen Sie mich Huggy. Alle nennen mich so.«
»Gut, dann bis morgen, Huggy.«
Georgia band Sallys Leine los, rief von ihrem Handy aus im Restaurant an und hinterließ eine entsprechende Nachricht, die Reservierung betreffend. Marco hasst es zwar, wenn Mitarbeiter in letzter Sekunde einen Tisch reservierten, aber nach der umwerfenden Kritik würde es ihm bestimmt nichts ausmachen. »VIP«, hatte sie betont. »Tisch neun, falls noch frei, ansonsten Tisch sechzehn.« Ihr Gefühl sagte ihr, dass Huggy es wert war.
Am nächsten Nachmittag kam Georgia mit wehenden Fahnen beziehungsweise wehendem Trenchcoat ins Restaurant gestürmt, vorbei an den Jungs, die für abends die Tische eindeckten. Trotz aller guten Vorsätze war sie spät dran. Es hatte sie unendlich viel Überwindung gekostet, sich aus den Federn zu schwingen, woran die kleine rosa Pille sicherlich nicht ganz unschuldig war.
Zu allem Überfluss hatte sie auch noch ewig auf die U-Bahn warten müssen. Und als diese endlich einfuhr, war sie so gerammelt voll, als hätten diese weiß behandschuhten Fahrgastschlichter Dienst getan, die in Tokio während der Stoßzeiten die Leute wie Sardinen in die Waggons packten. Sich unter die schweißige Achselhöhle eines Mitreisenden zu quetschen, der sich oben an der Halteschlaufe festklammerte, war in etwa so appetitlich wie ein Becher heißes Hotdog-Wasser, weshalb sie die nächste Bahn abgewartet hatte.
Bernard verstummte bei ihrem Eintreffen, schob seinen Hemdärmel hoch und spähte auf die römischen Zahlen seiner Armbanduhr. Sein sandfarbenes Haar war seitlich gescheitelt und mit einer wohldosierten Menge Gel in Form gebracht. Bernard war stets wie aus dem Ei gepellt, frisch rasiert, sein Windsorknoten saß perfekt, und der heutige Tag bildete keine Ausnahme.
»Siebzehn Minuten zu spät, Georgia. Darf ich dich daran erinnern, dass wir auch von dir, wie von allen
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