Kuessen al dente - Roman
zum Essen zu dir kommen, und deine Mutter auch. Nicht wahr, Dorothy?« Hal schaute seine Frau eindringlich an.
Sie nickte.
Paul streckte den Kopf durch die Verandatür, und seine Miene erhellte sich, als er sie dort sitzen sah. »Da habt ihr Grays euch versteckt«, rief er. »Es ist angerichtet, meine Herrschaften. Im Esszimmer.«
»Wir wollten gerade reinkommen«, erwiderte Hal.
Dorothy hob ihre Zigarettenkippe vom Boden auf, wickelte sie in eine Serviette und steckte sie in ihre Handtasche, um sie später ordentlich zu entsorgen. »Perfektes Timing«, meinte sie, erhob sich und ging zur Tür. »Ich bin am Verhungern.«
5
G eorgia hinter sich her zerrend, flitzte Sally den Gehsteig entlang, sprang durch alle Pfützen und ignorierte sämtliche Lieblingsbäume, bis sie das Objekt ihrer Begierde eingeholt hatte – einen Wheaton Terrier, dessen zwanzigjährige Besitzerin aufgetakelt war wie für ein Fotoshooting bei der Vogue , und das um diese Tageszeit. Unwillkürlich schaute Georgia an sich herunter und betrachtete die schwarze Windjacke, die verwaschenen Jeans und die Merrell-Mokassins; beileibe kein atemberaubendes Outfit, aber schließlich war es Montagmorgen und der Rest der Welt bei der Arbeit. Die beiden Hunde jagten sich gegenseitig im Kreis herum, purzelten übereinander und beschnüffelten sich ausgiebig, bis ihre jeweiligen Frauchen an den Leinen zerrten und ihrer Wege gingen.
Das gestrige Zusammentreffen mit ihren Eltern wirkte noch nach. Georgia fühlte sich irgendwie benebelt und war auf dem Weg zur Bäckerei, um sich was Süßes zu kaufen – Grammys Rezept gegen nahezu alle Unbefindlichkeiten im Leben. Dorothy hatte schlussendlich nicht nur zugegeben, dass Georgias Job für ihren Geschmack nicht schick genug sei (die blütenweiße Kochjacke zählte scheinbar nicht), sondern hatte Grammy auch noch dafür verantwortlich gemacht, dass diese sie quasi dazu getrieben hatte, sich für die Karriere und gegen das Muttersein zu entscheiden. Als ob irgendjemand ihre Mutter dazu zwingen könnte, etwas zu tun, was sie nicht wollte.
Es hörte auf zu regnen, aber der Tag schien grau in grau zu bleiben, wie so oft im beginnenden Frühling. Georgia leinte Sally an einem Ginkgobaum vor der Bäckerei Pain Cottidien an, ging hinein und bestellte eine heiße Waffel mit Nougatcreme und einen großen Café au Lait. Draußen blieb ein Halbwüchsiger mit Stirnfransen, die ihm bis zur Nase reichten, neben Sally stehen und bückte sich, um sie zu streicheln. Georgia beobachtete durch das große Glasfenster, wie Sally erfreut mit dem Schwanz wedelte, und machte sich bereit, sofort hinauszustürmen, falls der Bursche ihr Halsband berühren sollte. Eine Bekannte von der Hundewiese kannte eine andere Frau, deren Spaniel gestohlen wurde, während sie für einen Eiskaffee zum Mitnehmen angestanden hatte, und seither hatte Georgia panische Angst, dass ihr das Gleiche passieren könnte. Der Junge ging weiter, und Sally setzte sich auf die Hinterpfoten. Die Frau hinter ihr in der Warteschlange räusperte sich.
»Entschuldigen Sie. Sind Sie Georgia Gray, die Küchenchefin vom Marco?« Ihr aschblondes Haar war im Nacken zu einem Knoten geschlungen, und ihre Haut war glatt und ein wenig gerötet, als hätte sie eben erst ein chemisches Peeling machen lassen. Sie trug schwarze Stoffhosen, diese belgischen Schuhe mit den kleinen Schleifchen und eine Lederhandtasche. Eine elegante Dame um die fünfundsechzig, maximal achtundsechzig.
Georgia lächelte. »Ja, das bin ich. Kennen wir uns?«
»Nein, wir kennen uns nicht. Aber ich glaube, ich habe Sie gestern bei Paul Gray in Millbrook gesehen.«
»Ja, das kann gut sein. Paul ist mein Onkel«, erwiderte Georgia.
»Ich hatte gehofft, Sie kennenzulernen, aber Sie waren ganz plötzlich verschwunden.«
»Ich hatte meine Eltern schon länger nicht gesehen«, erklärte Georgia, »und wir hatten uns eine Menge zu erzählen.«
»Ich habe Ihr Foto in diesem Big Apple Business -Magazin gesehen. ›Fünfunddreißig unter fünfunddreißig‹ hieß der Artikel, wenn ich mich recht entsinne. Daher habe ich Sie wiedererkannt«, fuhr die Frau fort.
Der Redakteur von BAB war ein Freund von Clem und hatte einen jungen Küchenchef gesucht, um einen Artikel über langweilige Businesstypen aufzumöbeln. Dass Georgia eine Frau war – und dazu attraktiv – hatte nicht nur eine gute Auflage garantiert, sondern Georgia auch noch zu einem schmeichelhaften Foto verholfen.
»Waren Sie schon einmal bei
Weitere Kostenlose Bücher