Kuessen al dente - Roman
anderen Mitarbeitern, pünktliches Erscheinen erwarten? Nicht«, er starrte sie über seine lange Nase hinweg an, »erst siebzehn Minuten nach Arbeitsbeginn.«
Mit einem gelassenen Lächeln nahm sie neben Ricky Platz, ärgerte sich aber doch, dass die gute Kritik nicht wie ein Freibrief funktionierte, wie sie es eigentlich erwartet hatte. Was für ein Glück, dass ihre Mitarbeiter sie mochten, ansonsten hätten sie nach dieser Rüge sicherlich wie Krähen auf ihr herumgehackt.
»Schlechtes Timing«, raunte Ricky ihr zu.
Georgia ließ die Tasche von ihrer Schulter gleiten und hängte sie hinter sich über die Stuhllehne. »Was?«, formte sie mit den Lippen.
Ricky schüttelte den Kopf. »Später.«
»Wie ich bereits sagte«, fuhr Bernard mit seinem Briefing fort, »das übliche Publikum: ein paar Society-Schnepfen, deren Klamotten mehr kosten, als wir alle zusammen in einer Woche verdienen, gestresste Greenwich-Vollblutmütter mit ihren fetten Ehegatten mit noch fetteren Brieftaschen, diverse Uptown- und Downtown-Slumbewohner und eine Handvoll überfütterter Fresssäcke, die sich selbst als ›Foodies‹ bezeichnen. « Er rümpfte die Nase. »Gott, wie ich diesen Ausdruck hasse.« Dann blätterte er die Reservierungsliste auf seinem Klemmbrett durch. »Aber wir erwarten auch einen echten VIP: Megamillionärin Huggy Henderson, Philanthropin erster Güte. Noch einmal: Die Kritik erscheint morgen.« Er schob sich das Klemmbrett unter den Arm. »Gott steh uns allen bei.«
»Was ist denn passiert? Wir haben doch gerade den Restaurantkritik-Jackpot geknackt, oder?«, erkundigte sich Georgia verwundert. »Bernard?«
Er eilte ohne zu antworten an ihr vorbei, hatte die Frage entweder nicht gehört oder ignorierte sie. Während sich die anderen dem Mittagessen und dem Verbreiten von Gerüchten zuwandten, folgte Georgia Bernard nach vorne ins Lokal und holte ihn am Empfangspult ein.
»Bernard«, sagte sie laut. »Was ist denn los?«
Als er sich zu ihr umdrehte, war sein Lächeln so schmal, so erbärmlich, so ganz das Gegenteil von dem, was ein Lächeln sein sollte, dass Georgia wusste, dass sie sich auf eine schlechte Nachricht gefasst machen musste. Auf eine sehr schlechte.
»Es fällt mir nicht leicht, dir das zu sagen, Georgia.«
»Sag es trotzdem.«
»Wie es aussieht, können wir die drei Gabeln vergessen.«
Ihr Magen zog sich zusammen. »Du meine Güte, was ist denn passiert? Was hat Marco verbrochen?«
»Genau das, woran du denkst.«
»Bernard, bitte, erzähl mir die ganze Geschichte.«
»Also gut.« Er warf einen Blick über die Schulter. »Samstagabend, da hattest du frei, saß da ein sehr junges und sehr hübsches Mädchen an der Bar. Und wie es so seine Art ist, hat Marco heftig mit ihr geflirtet und sie mit Drinks abgefüllt. Und als sie dann besoffen genug war, hat er getan, was jeder anständige Dreckskerl tut. Er hat sie mit nach Hause genommen. Am nächsten Abend, als sie wieder auf demselben Barhocker saß, war Marco nicht mehr ganz so angetan von ihr. Wenn ich mich recht erinnere, sagte er etwas in der Art wie ›Was zum Teufel suchst du schon wieder hier?‹« Bernard machte eine kurze Pause. »Wie auch immer, das Mädchen genehmigte sich ein paar Drinks, diesmal auf ihre eigenen Kosten, und kippte dann förmlich vom Hocker, als sie Marco mit einer anderen betrunkenen Tussi am Arm das Lokal verlassen sah. Eine unserer Kellnerinnen verbrachte eine halbe
Stunde mit ihr auf der Toilette, um sie zu beruhigen, und schließlich gelang es uns, sie in ein Taxi zu verfrachten. Du kannst dir wahrscheinlich denken, wie die Pointe lautet, aber nur für alle Fälle: Das Mädchen ist Mercedes’ Tochter. Die einzige Tochter von Mercedes.«
Georgia schloss die Augen. »Und wie hoch ist der Verlust, Bernard? Haben wir eine Gabel eingebüßt?«
»Nein, viel schlimmer. Sieht aus, als wären wir runter auf eine.«
»Eine Gabel? Von drei auf eine? Man kann doch eine Kritik nicht um zwei Gabeln herunterfahren, nur weil der Restaurantbesitzer ein verdammter Lustmolch ist!«
»Offenbar doch. Besonders wenn besagter Weiberheld deine neunzehn Jahre junge, knackige Tochter erst befummelt und dann wegwirft wie den Kaffeesatz von gestern, dann kann ich mir das schon vorstellen.«
»Ich glaube es nicht. Shit, ich glaube es einfach nicht!« Sie brauchte diese Kritik. Besonders angesichts ihres häuslichen Chaos’ brauchte sie diese Gabeln wie die Luft zum Atmen.
Bernard räusperte sich. »Wenn man vom Teufel spricht
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