Kuessen al dente - Roman
Und da war sie, die ersehnte Mail, in ihrem Posteingang. Von: Claudia Cavalli ; Betreff: Georgia! Doppelklick.
Cara Georgia!
Si! Si! Ich mache eine Trattoria in San Casciano auf und brauche einen Koch. In der Villa stehen einige Räume leer, du kannst ein Zimmer haben! Ich brauche dich Ende Mai bis voraussichtlich Ende September. Okay? Bacio! – Claudia
Okay? Hätte sie einen Hut aufgehabt, hätte sie ihn in die Luft geschleudert. Stattdessen sprang sie von ihrem Stuhl hoch und stolperte prompt über Sally, die es sich zu ihren Füßen bequem gemacht hatte. Sie fasste Sally um die Schnauze und drückte ihr einen dicken Kuss auf die feuchte Nase. »Ich glaub es nicht, Sals. Ich gehe wirklich nach Italien!«
»Du tust was?«
»Ich gehe nach Italien«, buchstabierte sie abermals in ihr Handy, auf dem Weg den Broadway entlang zu ABC Carpet, wo sie Lo und Clem treffen wollte. »Nicht auf Urlaub, nicht
in einen Ashram oder zu einer Sekte, nein, zum Arbeiten.« Sie hatte geschworen, erst dann mit ihren Eltern zu reden, wenn sie einen wasserdichten, unfehlbaren Plan hätte, einen, in den selbst Dorothy mit ihren rasierklingenscharfen Fingernägeln kein Loch kratzen konnte. Dank Claudia, Clem und – was ihr zugegebenermaßen gar nicht passte – dank Glenn hatte sie nun einen solchen Plan.
»Das ist einfach schrecklich«, sagte Dorothy. Georgia sah ihre Mutter in ihrer schneeweißen Küche auf und ab gehen und mit der Hand über die perfekt eingepassten Arbeitsflächen streichen. »Über den verlorenen Job kommst du schon hinweg. Aber Glenn? Er ist ein so wunderbarer Mann. Ich kann es immer noch nicht glauben. Was ist denn passiert?«
»Also gut, hör zu, Mom«, sagte Georgia. »Ich habe toleriert, dass er mich einmal betrogen hat, und ich hätte auch damit leben können, dass er ab und zu mal Koks schnupft, aber als er sagte, dass er mich nicht mehr heiraten will, habe ich entschieden, ihn nicht zu überreden, mich bitte, bitte doch zur Frau zu nehmen. Okay?«
»Sie hat das nicht so gemeint, Georgia. Es tut ihr nämlich wirklich leid, dass du das alles durchmachen musst«, hörte sie ihren Vater sagen, der im Arbeitszimmer den Zweitapparat abgenommen hatte.
Dorothy sagte nichts mehr. Von wegen leidtun, dachte Georgia und wich gerade noch einem großen Haufen Hundescheiße aus, der mitten auf dem Gehsteig lag. New York war Paris viel ähnlicher, als die Leute glaubten.
»Vielleicht ist das Leben als Küchenchefin doch nichts für dich«, fing Dorothy erneut an. »Vielleicht ist es Zeit, einen anderen Karriereweg einzuschlagen. Ich war immer der Ansicht, dass du nicht dazu geboren bist, eine Schürze und diesen komischen Hut zu tragen.«
»Das Ding ist eine Kochmütze, Mom. Und zu deiner Information, ich trage keine.«
»Deine Mutter hat wahrscheinlich gar nicht so Unrecht, Georgia. Es ist nicht zu spät für ein Studium. Du könntest dich um ein Stipendium bewerben und wieder bei uns in deinem alten Zimmer wohnen.«
»Sag mal, hab ich das eben richtig verstanden? Hast du gesagt, Glenn nimmt Kokain?«, warf Dorothy dazwischen.
»Ja, du hast richtig gehört. Und Dad, danke für das Angebot, aber ich habe schon einen Abschluss. Außerdem habe ich euch gerade erzählt, dass ich in die Toskana gehen und in dem neuen Restaurant arbeiten werde, das Claudia eröffnet.«
»Wer?«, fragte Dorothy und sog scharf die Luft ein.
» Rauchst du etwa wieder, Mom?«
»Nur wenn ich ärgerlich bin«, sagte sie.
»Oder wenn du Alkohol trinkst«, erinnerte Hal sie.
»Ist ja auch egal«, fuhr Georgia fort. «Claudia Cavalli ist die Frau, bei der ich damals in Florenz mein Praktikum gemacht habe. Eine der besten Küchenchefinnen in Italien. Sie war sehr wichtig für mich, für meine Karriere. Es überrascht mich, dass du dich nicht an ihren Namen erinnerst.«
»Oh«, sagte Dorothy. » Diese Claudia.«
Als Georgia den Hörer auflegte, hatte sie bereits entschieden, ihre Eltern erst wieder anzurufen, wenn sie in San Casciano war. Je weiter weg, desto besser.
Sie zog die Glastüren auf und betrat das ABC, in dem es aussah wie in einem auf Manhattan getrimmten orientalischen Markt. Üppige, kunterbunte Glasleuchten hingen von der Decke, ebenso bunte Satinkissen lagen auf dem Boden, Räucherstäbchen- und Kerzenhalter aus schimmernder Bronze kämpften mit indischen Tischdecken und allerlei anderem Schnickschnack um einen repräsentablen Platz. Georgia riss
sich von dieser verlockenden Augenweide los und ging hinauf in den
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