Kuessen al dente - Roman
Nieren zu verhökern und dich in einer Wanne mit kaltem Wasser aufwachen zu lassen, mit einem Zettel daneben,
auf dem steht: ›Im Notfall 911 anrufen.‹« Ricky legte ihr kumpelhaft den Arm um die Schultern.
»Sehr witzig, Ricky.«
»Drei Gabeln waren zu schön, um wahr zu sein, das war mir klar«, sagte er. »Aber eine halbe beschissene Gabel? Das ist einfach eine Sauerei. Okay, Marco hat dieses halbe Ding verdient, aber ganz gewiss nicht du.«
»Danke.«
»Ernsthaft, Chef, ich bin so stinksauer, dass mir vor lauter Wut die Spucke wegbleibt.« Er schüttelte so heftig den Kopf, dass seine Stirnfransen kurz an den Schläfen hängen blieben, ehe sie ihm wieder in die Augen fielen. »Echt. Noch einen Drink?«
»Klar doch. Ich nehme, was du trinkst, solange es kein Tequila Sunrise ist.«
»He, nun mach den allmächtigen T.S. mal nicht so nieder.«
»Freunde! Feinde! Chefs! Ehemalige Chefs!« Alle Köpfe drehten sich, als einer der Barkeeper erschien, dessen »Berühmtheit« sich auf eine Statistenrolle in Law & Order gründete. Die Aufmerksamkeit genießend, kollidierte er auf dem Weg zu ihrem Tisch mit einem Stuhl und riss ihn um. »Schön, euch alle zu sehen.« Er zwinkerte Georgia zu. »Besonders dich, Georgie-Girl.«
Georgia überlegte kurz, ob sie jemals ein Wort mit ihm gewechselt hatte, und zwang sich zu einem halbherzigen Lächeln.
»Georgia«, rief Bernard und schob sich an dem Filmhelden vorbei, »es ist erst zwei Tage her, aber wir vermissen dich schon jetzt.« Selbst in seinem Feierabendaufzug – Kragenknopf geöffnet, Ärmel hochgekrempelt, Krawatte in irgendeiner Jackentasche – sah er immer noch aus wie für den Country Club herausgeputzt.
»So spricht der Mann mit der Axt!«, schnaubte Clem. Sie hatte schon einige Drinks gekippt, die Geschichte vom grünen Tee und ihren Blähungen vor einer ahnungslosen Kellnerin ausgebreitet und wartete nur auf ihr nächstes Opfer.
»Ich war nur der Überbringer der schlechten Nachricht, Clem.« Und an Georgia gewandt: »Dachte, es interessiert dich vielleicht, dass der Umsatz gestern Abend mehr als mies war und heute Abend kaum noch vorhanden. Ganze sechsundzwanzig Essen«, er warf einen Blick auf seine Uhr, »und um halb zehn haben wir dichtgemacht. Das hier ist nicht Scranton, Pennsylvania. Ich hab die Leute praktisch auf der Straße abfangen und ins Lokal zerren müssen.«
»Erzählst du mir das, damit ich mich besser fühle?«, erkundigte sich Georgia. »Denn das geht mir tatsächlich runter wie Öl.«
Sie entschuldigte sich, verließ die ständig anwachsende Partygesellschaft und ging zu den Toiletten. Dort gesellte sie sich zu dem ruhmreichen Schauspieler-Schrägstrich-Barmann, der im Flur vor den beiden Türen stand, die für Männlein und Weiblein gleichermaßen gedacht waren.
»Hey«, sagte sie.
»Na, verfolgst du mich, Georgie-Girl?«, fragte er.
»Nein.«
»Sag mal, ist es wahr, dass dein Verlobter dich sitzengelassen hat?«
Sie starrte ihn an. »Sehr taktvoll, Mr. Wie-immer-duheißt. «
»Fred.« Er kniff die Augen zusammen und taxierte sie von oben bis unten wie ein Viehhändler ein Pferd. »Ich steh schon lange auf dich, Georgie-Girl.«
»Kannst du bitte damit aufhören? Ich heiße Georgia. Und nachdem wir nie zuvor ein Wort miteinander gewechselt
haben, versteh ich gar nicht, warum du überhaupt hier bist.«
»Kratzbürstig«, feixte er und hob eine Braue. »Das gefällt mir bei Frauen.«
Ein dicker Mann kam aus einer der Toiletten gewankt und musste sich an der Wand festhalten, um nicht umzukippen.
»Nach dir«, sagte Fred mit einer ausladenden Handbewegung.
Georgia verschwand in der Toilette, machte die Tür zu und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Bitte, lieber Gott, betete sie, lass meine Aussichten besser sein als so ein Exemplar Mann. Sie zog die Jeans runter und hockte sich über die Toilette; nie im Leben hätte sie sich auf die Brille gesetzt, nicht einmal auf zwei Lagen Klopapier, wie Clem es immer machte. Ganz gleich, wie sauber eine Toilette aussah, oder wie viele Ärzte beteuerten, man könne sich von einem Toilettensitz keine Krankheiten einfangen, sie wusste es besser. Schließlich hatte sie die letzten zehn Jahre in Restaurants gearbeitet.
Als sie wieder an ihren Tisch zurückkehrte, hatte sich ein Teil des Lokals in eine provisorische Disco verwandelt: Kellner mit Milchbubigesichtern tanzten linkisch, stämmige Köche vollführten erstaunlich grazile Tanzschritte, und durchtrainierte
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