Ballerina-Schrägstrich-Hostessen legten ihren besten Hustle aufs Parkett. Im Hintergrund plärrte der Soundtrack von Fame .
»Chef, komm, tanz mit mir«, trällerte Ricky und umschlang ihre Taille.
»Wenn du jemand anderes wärst, würde ich strikt ablehnen«, gab sie zurück. »Und übrigens, danke für den Drink.«
»Ach du Scheiße. Der war für dich. Ich hab mich schon gewundert, warum ich plötzlich beidhändig trinke.«
Sie lachte. »Sehr gut, Ricky.«
»Habe ich dir schon erzählt, dass ein Freund von mir in Brentwood ein Lokal aufmacht? Und er sucht noch einen Küchenchef.« Er wirbelte sie mit einer schwungvollen Drehung unter seinem Arm hindurch. »Du hast doch immer gesagt, dass dir L. A. gefällt, oder?«
»Brentwood? Ist das nicht da, wo O. J. seine Frau umgebracht hat?«
»War ja nur ein Vorschlag.«
»Klar. Danke. Aber ich hoffe wirklich, dass ich nicht kreuz und quer durchs Land tingeln muss, um einen neuen Job zu finden.«
»He, vielleicht ist genau das dein Problem. Vielleicht solltest du das Land ja verlassen .« Bei den letzten Takten der Nummer kippte er sie elegant hintenüber. »Du weißt schon, nach Barcelona oder nach Wien gehen, zum Beispiel.«
»Wiener Schnitzel ist nicht wirklich mein Ding, Rick. Aber die Idee hat was. Wirklich kein schlechter Gedanke.« Sie ging zurück zu ihrem Tisch, doch bevor sie sich setzen konnte, kreuzte Bernard ihren Weg.
»Sag mir, Georgia, warum enden wir jedes Mal, wenn wir ausgehen, wie die Mitstreiter von Let’s Dance ? Sollten wir nicht viel eher haufenweise Stierhoden und Schweinskopfsülze in uns hineinstopfen wie die anderen hart arbeitenden Vertreter der Gastronomiebranche?«
»Du magst ja zu dieser auserwählten Clique der Gastronomiebranche gehören, Bernard. Ich hingegen nicht mehr, wie du vielleicht schon gehört hast.« Und grinsend setzte sie hinzu. »Wollte dir nur eins reinwürgen.«
»Ja, vielen Dank auch.« Er nippte an seinem Drink. »Hör mal, ich will dir ja nicht auf die Nerven gehen, aber hast du dir inzwischen schon überlegt, was du jetzt tun wirst?«
Georgia legte die Hände auf seine Schultern und tat so, als
wollte sie ihn durchschütteln. »Kannst du ein klein wenig nachsichtig sein, bitte? Ich bin jetzt gerade mal seit genau …«, sie warf einen Blick auf ihre Uhr, »sechsunddreißig Stunden arbeitslos und zudem betrunken. Du klingst wie ein wohlmeinender, aber total nerviger Vertrauenslehrer, der einem Halbstarken, der auf dem besten Weg in den Jugendknast ist, die Leviten liest. Bitte, lass das sein.«
Sie ging zu ihrem Stuhl und schnappte sich ihre Handtasche. Dabei sah sie, wie der schwerfällige Gardemanger, der kaum Englisch sprach, seinen Unterleib im Takt von »Hot Lunch« an Clems rieb, und fing ihren Blick auf. Clem machte sich aus der Umklammerung frei und rannte Georgia hinterher.
»Wo willst du hin?«
»Nach Hause. Ich bin todmüde und hab genug getrunken. Sag Lo gute Nacht von mir.«
»Nicht noch einen allerletzten Drink?«
»Von diesen allerletzten Drinks hatte ich schon zu viele. Ruf mich morgen an, ja?« Sie küsste Clem auf die Wange und ging zur Tür. » Ciao «, rief sie über die Schulter.
Georgia zog die dicke Mappe mit der Aufschrift »Italien« aus der Schreibtischschublade, setzte sich damit auf den Fußboden und klappte sie auf. Sally kuschelte sich an sie und legte den Kopf auf ihr Knie. Georgia blätterte den Inhalt durch, stieß auf Zeitungsartikel, herausgerissene Seiten aus Hochglanzmagazinen, Landkarten, Speisekarten, Bierdeckel, die Adresse vom Prada-Outlet in Florenz, Streichholzbriefchen, Weinetiketten, Servietten mit darauf gekritzelten Telefonnummern, die Getränkerechnung eines Nachtclubs, fand alles Mögliche, nur nicht das, wonach sie suchte. Und dann flatterte er ihr entgegen, ein kleiner Notizzettel. »Il Borghetto«
stand da in Druckbuchstaben, und darunter in säuberlicher Schönschrift:
Claudia Cavalli
0039 62 5653
[email protected] Claudia war ihre Chefin gewesen, während ihres Praktikums in Florenz im Restaurant La Farfalla, als sie das erste Jahr auf dem Culinary Institut abgeschlossen hatte. Claudia war einer der besten weiblichen Chefs in Italien, der besten Küchenchefs überhaupt, Punkt. Und sie hatte Georgia viel beigebracht. Hatte Mercedes Sante nicht geschrieben, dass Georgia die rustikale italienische Küche beherrschte (oder zumindest nicht verhunzt hatte)? Das Lob dafür gebührte Claudia.
Im Laufe der Jahre hatten sie lockeren Kontakt